WELT I

 

“Wirhaben ein extremes Feuerjahr”

Riesige Waldbrändelodern in Russland, Südafrika und in den USA – Moskau leidet unter dichtem Smog

DIE WELT, 1.August 2002
von Claudia Ehrenstein


Berlin – Über Moskau hängt die dichteste Rauchglocke seit30 Jahren. Die Sichtweite in der russischen Hauptstadt beträgt an manchenStellen nur noch 50 Meter. Das Atmen fällt schwer. Die Behörden haben den zehnMillionen Einwohnern geraten, das Haus möglichst nicht zu verlassen.
Ursache für den gesundheitsgefährdenden Smog sind die Waldbrände in derUmgebung der Stadt. 120 Feuer hat das russische Katastrophenministerium bereitsgezählt. Rund 1000 Feuerwehrleute sind im Einsatz, um die Flammen unterKontrolle zu bringen. Regenmangel und die Hitze der vergangenen Wochen seien anden Bränden schuld, erklärt ein Moskauer Meteorologe.
Die Waldbrände haben offensichtlich auch den Torfboden in Brand gesetzt. SolcheTorfbrände seien nur sehr schwer zu kontrollieren, erklärt Alexander C. Held,Feuerökologe in Freiburg. Da der Torf zudem relativ feucht sei, komme es zuSchwelbränden. “Das erklärt die ungewöhnlich starkeRauchentwicklung”, sagt Held. Ansonsten sei es eher normal, dass RusslandsWälder um diese Jahreszeit brennen. “Dort gibt es noch mehr Feuer als inden USA.”
In den USA stehen in diesem Jahr bereits mehr als doppelt so viele Waldflächenin Flammen wie im vergangenen Jahr. Schon 1,6 Millionen Hektar brannten nieder.”Wir haben ein extremes Feuerjahr”, sagt Held. “Und es wird nochheftiger kommen.” Die Trockenheit in den südlichen Bundesstaaten und ander Westküste hat in diesem Jahr fünf bis sechs Wochen zu früh begonnen. ImFrühjahr hat es zudem kaum geregnet. Das erhöhte die Waldbrandgefahr.
Zuletzt musste der Mesa-Verde-Nationalpark im US-Bundesstaat Colorado wegen derWaldbrände geschlossen werden. 2000 Besucher und Angestellte wurden inSicherheit gebracht. Das Feuer im Park bedroht 25 000 mehr als 700 Jahre alteFelsenwohnungen und andere archäologische Stätten der indianischenUreinwohner.
Bei dem Versuch, die Brände zu löschen, stürzte ein Hubschrauber in der Nähedes Nationalparks ab. Der Pilot kam ums Leben. Erst Mitte Juli waren zweiFeuerwehrleute mit einem Löschflugzeug tödlich verunglückt. Im Südwesten desBundesstaates Oregon drohen sich zwei Waldbrände zu einer Feuerfront zuvereinigen. 17 000 Einwohner bereiten sich dort auf ihre Evakuierung vor. Und inKalifornien steht der Wald in der Umgebung des Sequoia-Nationalparks noch immerin Flammen.
“Es verdichten sich die Anzeichen, dass wir auf ein El-Niño-Ereigniszusteuern”, sagt Held. Dieses Wetterphänomen sorgt nicht nur in bestimmtenRegionen der USA für extreme Trockenheit. Dieses natürliche Waldbrandrisikowird noch durch den Einfluss des Menschen verstärkt. Über Jahrzehnte, so Held,wurde in den USA eine falsche Forstpolitik betrieben und auch jedes kleine Feuersofort gelöscht. So hat sich am Waldboden viel leicht brennbares Materialangesammelt. Ein Funke genügt, um ein Feuer zu entfachen.
“Die Menschen müssen akzeptieren, dass Feuer ein natürlicher Bestandteilder Wälder ist”, sagt Held. Viele Pflanzen haben sich an solche Brändeangepasst. Dicke Borke schützt Bäume vor den Flammen. In den USA werdeninzwischen kontrollierte Brände gelegt, damit sich nicht zu viel Unterholzansammelt. Doch die Fläche, die dringend abgebrannt werden müsste, ist”unvorstellbar groß”.
Auch in Teilen Südafrikas sind in dieser Woche “katastrophale Brände”ausgebrochen, berichtet Held. Auch dort war der Regen ausgeblieben, kam dieTrockenheit viel zu früh. Mehrere Farmen brannten bereits nieder. In Südafrikaregelt ein Gesetz das so genannte Feuermanagement. So muss jeder Grundstückseigentümersein Land durch Feuerschutzstreifen schützen. Doch in forstwirtschaftlichgenutzten Wäldern sammelt sich noch immer viel zu viel brennbares Material an.Und das, so Held, könne sich jederzeit entzünden.


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