Zeitbomben im Unterholz

Germany: Interview-Zeitbomben im Unterholz

2 August  2001

Source: GEO and Prof. Dr. Goldammer, GFMC


Seit zweieinhalb Jahrzehnten beobachtet der Freiburger Feuerökologe Johann Georg Goldammer das weltweite Feuergeschehen – mit wachsender Besorgnis 

GEO: Haben extreme Feuerereignisse wie vor drei Jahren in Indonesien oder im vergangenen Jahr im Mittelmeerraum und den USA weltweit zugenommen?

GOLDAMMER: Ja. Feuer hat es zwar immer gegeben – und Flammen können ökologisch durchaus sinnvoll sein, weil sie den Wald reinigen. Aber die Brände haben vielerorts bedrohliche, unkontrollierbare Ausmaße angenommen. 

GEO: Welche Gründe gibt es hierfür?

GOLDAMMER: In den Tropenwäldern Indonesiens und Lateinamerikas liegt das an der exzessiven Anwendung von Feuer bei der Umwandlung von Wald in landwirtschaftliche Systeme oder Plantagen. Die in den USA vermehrt auftretenden Feuer sind sowohl Vorzeichen eines sich ändernden regionalen Klimas als auch Erblast jahrzehntelanger radikaler Feuerunterdrückung; wenn das überschüssige Holz jetzt brennt, dann heftig. Die bedrohlichen Waldbrände im Mittelmeerraum hingegen resultieren aus dem Wegfall traditioneller Nutzung von pflanzlicher Biomasse als Energieträger und Nahrungsquelle: man sammelt kein Holz mehr. Noch nie in der Kulturgeschichte der Mittelmeerländer stand dem Feuer so viel Brennmaterial zur Verfügung wie heute.

GEO: Müssen wir auch in Deutschland künftig mit Waldbrandkatastrophen rechnen?

GOLDAMMER: Eine klare Trendaussage ist derzeit nicht möglich. Sollte die regionale Klimaveränderung im kontinental geprägten Raum Deutschlands, vor allem in Brandenburg, vermehrt zu extrem lange Trockenzeiten zwischen Frühjahr und Herbst führen, dann werden wir ein Problem haben.

GEO: Wird dem Problem der Waldbrände von wissenschaftlicher und politischer Seite genügend Aufmerksamkeit gewidmet?

GOLDAMMER: Die Wissenschaft befasst sich seit Ende der 80er Jahre mit den globalen Auswirkungen der Waldverbrennung und Vegetationsbränden. Uns stehen auch Technologien zur Erfassung der Auswirkungen von Feuer auf die globale Umwelt zur Verfügung, sodass wir Entscheidungen im Feuer-Management treffen könnten. Allerdings werden solche Entscheidungen durch schlecht informierte nationale und internationale Behörden behindert, die sich auf überholte Umweltprogramme berufen.

GEO: Das heißt, man könnte mit der vorhandenen Technik viel mehr zur Rettung der Wälder tun?

GOLDAMMER: Genau. So schickt beispielsweise das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt diesen Sommer den ersten speziell für die Entdeckung von Bränden entwickelten Feuersatelliten BIRD in den Orbit. Die Mittel für notwendige begleitende Untersuchungen wurden hingegen durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung nicht gebilligt. Ebenso ist es bisher nicht gelungen, das Global Fire Monitoring Center in Freiburg – eine weltweit einmalige Einrichtung zur globalen Überwachung von Waldbränden – auf eine nachhaltige Basis zu stellen.

GEO: Sie kommen gerade aus Weißrussland zurück. Wie gefährlich ist die Situation dort?

GOLDAMMER: Russland und Weißrussland liegen in einer Region, die besonders stark durch regionale Klimaveränderung betroffen sein wird. Darüber hinaus sind in Weißrussland ebenso wie in der Ukraine und Russland große Waldflächen radioaktiv verseucht. Waldbrände auf diesen Flächen führen zur Freisetzung von Radionukliden, beispielsweise Plutonium, Strontium und Cäsium, die durch den Wind unkontrollierbar verteilt werden. Dies stellt eine ernste Gefährdung der Menschen in Europa dar.


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