Brandbeschleuniger Klimawandel

Brandbeschleuniger Klimawandel

7 July 2006

published by www.spiegel.de


FEUERSBRÜNSTE IN USA

Die dramatische Zunahme der Waldbrände in den USA ist lauteiner Studie eine Folge des Klimawandels. Die Forscher warnen vor einemTeufelskreis: Je mehr Bäume verbrennen, desto weniger Kohlendioxid wirdabsorbiert – und die Erde erhitzt sich immer schneller.

Die Klimaerwärmung erlebt in der öffentlichen Wahrnehmung der USA derzeiteinen rasanten Wandel – von einem Phänomen, das sich erst in Jahrzehnten, wennnicht gar Jahrhunderten bemerkbar macht, hin zu einer realen Bedrohung derGegenwart. Forscher haben bereits Dürren in weiten Teilen der USA, Hitzewellenund darauf folgende Energiekrisen sowie die verstärkte Hurrikan-Intensität mitder globalen Erwärmung in Verbindung gebracht.

Ob es immer diesen direkten Zusammenhang gibt, ist zwar noch nicht in jedemDetail geklärt. Jetzt aber ist eine weitere Naturgewalt unter den potentiellenKlimawandel-Folgen angekommen: Flächenbrände, die in den USA jedes JahrHunderttausende Hektar Wälder vernichten, zahlreiche Häuser zerstören undimmer wieder Todesopfer fordern. Allein die Bekämpfung der Brände kostet inden USA Schätzungen zufolge jedes Jahr rund 1,7 Milliarden Dollar, die Schädenbelaufen sich auf rund eine Milliarde Dollar.

Zahl der großen Feuersbrünste vervierfacht

Seit 1970 hat sich die Zahl der großen Feuersbrünste in den VereinigtenStaaten vervierfacht. Eine Erklärung dafür war bisher, dass die Bevorzugungbestimmter Baumarten durch die Forstwirtschaft die schnelle Ausbreitung vonFeuern begünstige. Doch US-Forscher haben das jetzt offenbar widerlegt: Siefanden nach eigenen Angaben heraus, dass die Brände ausgerechnet in den Wäldernder nördlichen Rocky Mountains am stärksten zunahmen – wo der Mensch kaum indie natürlichen Bestände eingegriffen habe. Die Zunahme der Brände lasse sichdort nur mit den gestiegenen Temperaturen und der früheren Schneeschmelze erklären,die zu größerer Trockenheit und damit Feuergefahr geführt hätten.

Das Team um AnthonyWesterling von der University of California in Merced hat die Daten derUS-Forstbehörde über 1166 Flächenbrände von jeweils mehr als 400 Hektaranalysiert. Um 1987 kam es demnach zu einem Wechsel von gelegentlichen Bränden,die etwa eine Woche dauerten, zu häufigeren Feuern, die fünf Wochen oder längeranhielten. Vor 1987 vergingen demnach im Schnitt siebeneinhalb Tage, bis maneinen einmal entdeckten Brand unter Kontrolle hatte. Zwischen 1987 und 2003 lagder Mittelwelt dagegen bei mehr als 37 Tagen. Die Fläche verwüsteten Landessei zwischen den beiden Zeiträumen um das 6,5-Fache gestiegen. 

Einen Zusammenhang gebe es auch mit den Temperaturen im Frühjahr und Sommer:In wärmeren Jahren verzeichnete die Statistik mehr Brände als in kühleren. ImFrühling und Sommer der Jahre 1987 bis 2003 sei es in den westlichenUS-Bundesstaaten im Mittel mehr als 1,5 Grad wärmer gewesen als in den 17Jahren davor, schreiben Westerling und seine Kollegen im Fachblatt”Science”. Die Temperaturen zwischen 1987 und 2003 seien sogar die höchstenseit Beginn der Aufzeichnungen im Jahr 1895 gewesen. Auch eine frühereSchneeschmelze erhöht der Studie zufolge die Gefahr von Waldbränden.

“Das passt mit dem Klimawandel zusammen”

Die drastisch gestiegene Zahl der Waldbrände sei “einer der ersten großenIndikatoren für die Auswirkungen des Klimawandels in den USA”, sagteThomas Swetnam von der University of Arizona, ein Mitglied des Forscherteams. “Science”hat den Artikel auf seiner Internetseite frei zugänglich gemacht.

Auch Forschungsleiter Westerling brachte die Feuersbrünste mit demKlimawandel direkt in Zusammenhang. “Die Waldbrand-Saison beginnt früherund dauert länger”, sagte Westerling der “Los Angeles Times”.”Das passt mit dem Klimawandel zusammen.”

Ähnlich äußerte sich StevenRunning von der University of Montana in Missoula, der die Studie in”Science” kommentierte. Die Waldbrände seien für den Westen der USA”das Gegenstück zu den Hurrikanen an der Ostküste” und “dieIllustration einer Naturkatastrophe, deren Intensität mit der globalen Erwärmungzunimmt”.

Westerling und seine Kollegen warnen nun vor einem Teufelskreis: Die Klimaerwärmungführe zu mehr Waldbränden, weshalb es immer weniger Bäume gebe, die dasTreibhausgas Kohlendioxid aufnehmen könnten. Zugleich setze das Abfackeln der Bäumegewaltige Mengen an CO2 frei. Beides führe zu einer noch schnelleren Erwärmungder Atmosphäre.

In diesem Jahr schon 60.000 Brände

Im vergangenen Jahr erlebten die Amerikaner die schlimmste Waldbrand-Saisonaller Zeiten: Rund 34.500 Quadratkilometer – das entspricht in etwa der FlächeNordrhein-Westfalens – fielen den Bränden zum Opfer. In diesem Jahrregistrierte der National Interagency Fire Center in Idaho bereits mehr als60.000 Feuersbrünste, die fast 16.000 Quadratkilometer verbrannt haben.

“Viele Menschen glauben, dass der Klimawandel und die ökologischenFolgen 50 bis 100 Jahre in der Zukunft liegen”, sagte Swetnam. “Aberdas ist falsch. Sie finden schon jetzt statt – als Feuer in den Wäldern.”

In den kommenden Jahren könnte es noch weit ungemütlicher werden, wie 2007im nächstenBericht des Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC) der Uno zulesen sein wird. Alle sieben Simulationen der Klimaentwicklung hätten in einemPunkt zu einem ähnlichen Ergebnis geführt, erklärt Running: Im westlichenNordamerika werden die Durchschnittstemperaturen im Juni, Juli und August bis spätestens2069 um zwei bis fünf Grad steigen.

Das sei das Dreifache dessen, was Westerling und seine Kollegen als Ursacheder heutigen Waldbrand-Entwicklung ausgemacht hätten. Und über den ebenfallsim IPCC-Bericht prognostizierten Rückgang der Niederschläge um 15 Prozent habeman da noch gar nicht geredet.


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