Germany: Torfwaldbrände in Indonesien

Germany: Brennende Regenwälder:Torfwaldbrände in Indonesien 
setzen ungeheure Mengen des TreibhausgasesKohlendioxid frei. 
Eingriffe des Menschen sind schuld, dass diese Wälderneuerdings brennen

 

 

(published by Spektrum derWissenschaft, February 2004 issue, p. 24, in German)

 


Vor einigenJahren druckten die Zeitungen Fotos von den Straßen Singapurs und Jakartas, wodie Menschen mit Atemmasken herumliefen. Dichter Qualm hüllte damals Indonesienund Malaysia monatelang ein. Die Rauchwolke reichte bis nach Thailand,Nordaustralien und Papua-Neuguinea.

 

Ursache wardie größte jemals in Asien beobachtete Feuerkatastrophe. Auf Borneo, Sumatraund Neuguinea brannten die Regenwälder. Nach einer Schätzung der AsianDevelopment Bank gingen in jenen Jahren 1997 und 1998 rund 10 Millionen Hektar,eine Fläche doppelt so groß wie die Schweiz, großenteils in Flammen auf.

 

Dabeigelangten ungeheure Mengen des Treibhausgases Kohlendioxid in die Atmosphäre.Ein bedeutender Teil der indonesischen Wälder wächst auf mächtigen Torfflözen,in denen große Mengen Kohlenstoff gespeichert sind. Besonders diese Gebietehatten damals Feuer gefangen. Die Riesenbrände dieser Torfwälder verstärkenden globalen Treibhauseffekt messbar.

 

15 Jahrezuvor, 1982/83, hatten sich schon einmal – wohl erstmals seit Menschengedenken -riesige Feuersbrünste durch die indonesischen Urwälder gefressen. Damalssuchten sie den indonesischen Teil Borneos (Kalimantan) heim, die drittgrößteInsel der Erde. In der indonesischen Provinz Ost-Kalimantan brannte eine Flächevon über 3 Millionen Hektar. Die Hälfte davon war Wald. Wie wir heute wissen,verschuldete letztlich der Mensch beide Katastrophen, die in solcher Größenordnungfrüher nicht vorkamen. Doch in Zukunft drohen sich ähnlich verheerende Feuerzu wiederholen, womöglich in noch größerem Ausmaß – solange dieVerantwortlichen dem nicht entgegensteuern.

 

Aber 1997/98schoben Behörden, Wissenschaftler und Medien die Hauptschuld zunächst auf dasextreme El-Niño-Jahr. Das Klimaphänomen El Niño entsteht durch großräumigeVerschiebungen von warmen und kalten Meeresströmungen im Südpazifik. Dabeitreten in manchen sonst niederschlagsarmen Gegenden rund um den Südpazifikmassive Regenfälle auf. In anderen bleiben die gewohnten Monsunregen weitgehendaus, so auch in Indonesien.

 

Das Inselreicherlebte 1997/98 einen besonders ausgeprägten El Niño. Die Trockenzeit, die aufunsere Sommermonate fällt, setzte 1997 zwei Monate früher ein als sonst. Zudembegann die Regenzeit statt Mitte Oktober erst Mitte November. Diesmal war sie außerdemungewöhnlich schwach und kurz. Schon nach zwei Monaten hörten die Niederschlägeauf. Erst im Mai 1998 regnete es wieder stark. Bereits 1997 und dann nochmals inden ersten Monaten des folgenden Jahres wüteten die Waldbrände. Im zweitenHalbjahr 1997 verwüsteten sie Wälder auf Sumatra und Irian Jaya (Westpapua)sowie auf Borneo insbesondere die indonesische Provinz Zentral-Kalimantan. Imersten Halbjahr 1998 wüteten die Feuer ausschließlich in der ProvinzOst-Kalimantan. Insgesamt brannten die indonesischen Wälder fast zehn Monatelang.

 

Um dieHintergründe für diese Katastrophen und deren klimatische Folgen zu klären,hat eine Gruppe indonesischer und europäischer Wissenschaftler, zu der ich gehörte,im Auftrag der Deutschen Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit (GTZ), derEuropäischen Raumfahrtagentur (Esa) und für die Europäische Kommissionmehrere Forschungsprojekte durchgeführt. Wir wollten herausfinden, wiesoneuerdings in ausgeprägten El-Niño-Jahren indonesische Regenwälder in Flammenaufgehen. Schließlich existiert das Wetterphänomen seit vielen Jahrtausenden.Auch interessierten sich Klimatologen dafür, wie viel Pflanzenmaterial in jenenMonaten verbrannte und welche Mengen des Treibhausgases Kohlendioxid dabei indie Atmosphäre gelangten. Die Ergebnisse dieser Untersuchungen fanden inenglischsprachigen Medien sofort große Resonanz, in deutschsprachigen leiderbisher wenig.

 

Satellitendatenzur Schadensanalyse

 

Wir habeneinerseits die Verhältnisse vor Ort untersucht, andererseits insbesondereSatellitenaufnahmen von verschiedenen europäischen und amerikanischenSatellitensystemen von Phasen vor, während und nach den Bränden von 1997/98ausgewertet. Hierbei konzentrierten wir uns auf zwei große Brandgebiete inZentral- und Ost-Kalimantan, weil sich die Waldbrände in diesen beiden Regionenin Ursache und Wirkung deutlich unterschieden.

 

Erst dieSatellitendaten ermöglichten einen Überblick über das Ausmaß der Schäden.Die Provinz Zentral-Kalimantan weist bei einer Fläche der Größe Bayerns nuretwa tausend Kilometer Straßen auf. Und von den Flüssen aus, die daseigentliche Verkehrsnetz bilden, kann man dort in den Urwald fast nichtvordringen. Dicht am Wasser aber hatten die Pflanzen wenig gebrannt. Vom Bootaus erschien der Wald oft völlig intakt, auch wenn er wenige Kilometer weiterinnen komplett vernichtet war.

 

Normalerweisedürfte ein tropischer Regenwald schon wegen der Nässe, die in ihm steckt,nicht brennen. Selbst in Trockenzeiten hält das Blätterdach, das kaum einenSonnenstrahl durchlässt, alles unter sich feucht. Auch zersetzt sich totespflanzliches Material in dem stets warmen und feuchten Mikroklima rasch, sodassäußerst wenig leicht entflammbares Holz oder Laub vorhanden sind.

 

Dass Feuer,anders als etwa in gemäßigten Zonen, nicht Teil der natürlichen Ökologie vonTropenwäldern sind, zeigt sich auch an den fehlenden Anpassungen derVegetation. Viele Bäume gemäßigter Breiten widerstehen mit ihrer dicken Borkeden Flammen. Oft benötigen ihre Samen die Hitze sogar zur Keimung. Tropenbäumehaben meist nur eine sehr dünne Rinde. Sie verbrennen in den Flammen. Auch ihreSamen gehen zu Grunde.

 

Zur ökologischenBestandsaufnahme verwendeten wir Bilder des amerikanischen Landsat-Satelliten.Er liefert seit mehr als zwanzig Jahren Farbbilder der Erdoberfläche mit dreißigMetern räumlicher Auflösung. Wie diese Bilder erkennen lassen, stellt dasgesamte Tiefland Zentral-Kalimantans ursprünglich ein riesiges, bewaldetesTorfmoor dar, einen Torfsumpfwald, also ein besonders nasses Ökosystem. An derKüste säumen diesen Regenwald Mangroven – an Salz- oder Brackwasser angepassteWälder – und erst etwa 150 Kilometer tiefer im Innern, wo das Land anzusteigenbeginnt, geht er in einen typischen Tieflandregenwald über.

 

Natürlicherweiseist der Boden dieser tropischen Torfwälder alljährlich ein paar Monate überschwemmt.Die Dajaks, die von den europäischen Kolonisatoren und Forschungsreisenden alsKopfjäger gefürchtete Urbevölkerung, besiedelten diesen Wald nicht, weil derBoden zu feucht und unfruchtbar ist. Auch die holländischen Kolonialherrenkonnten nur kleine Areale durch ein ausgeklügeltes Be- und Entwässerungssystemlandwirtschaftlich nutzbar machen. Noch bis vor zwanzig Jahren zeigte sichdieses nasse, moorige Tiefland auf Satellitenbildern zum allergrößten Teil alsvöllig ungestörter Urwald. Höchstens entlang der Küste und der größeren Flüssezeichneten sich vereinzelte Dörfer ab.

 

Folgen desRaubbaus

 

Wie neuereLandsat-Aufnahmen zeigen, hat der Mensch die Torfwaldgebiete stark dezimiert.Die Auswertung einer Bildserie von 1991 bis 1997 ergab, dass in diesem Zeitraumin Zentral-Kalimantan pro Jahr durchschnittlich 2,3 Prozent des Torfsumpfwaldsvernichtet wurden. Seither stieg der Raubbau sogar auf drei Prozent pro Jahr.

 

Solche zerstörten,ungenutzten Flächen verbuschen oder – schlimmer noch – veröden, falls siewieder verbrennen, zu einem artenarmen Gras-Farn-Ökosystem, in dem Wald vonallein nicht wieder hochkommen kann. Der Anteil karger Gras- und Buschvegetationwar in den wenigen Jahren um 437 Prozent gestiegen, während dielandwirtschaftlich genutzte Fläche im gleichen Zeitraum nur um sieben Prozent(21000 Hektar) zunahm. Ein großer Teil der verbliebenen Sumpfwaldfläche wardurch Holzeinschlag gestört: Konzessionäre öffneten siebzig Prozent derWaldfläche, indem sie Schneisen schlugen, einzelne Bäume herausholten unddadurch Lichtungen schufen. So verlor der Wald in regenarmen Monaten vielFeuchtigkeit, weil die Sonne den Boden und nachwachsende Jungpflanzen ausdörrte.

 

Nochgravierender wirkte sich Mitte der 1990er Jahre ein politisches Prestigeprojektdes langjährigen, inzwischen abgetretenen indonesischen Präsidenten IbrahimSuharto aus. Der Diktator entschied damals, eine Million Hektar Urwald fürReisfelder roden zu lassen, und wählte dafür ausgerechnet die für den Zweck völligungeeigneten Torfsumpfwälder Zentral-Kalimantans aus. Binnen eines Jahres ließer kreuz und quer durch das Gebiet über 4400 Kilometer Entwässerungskanälegraben. Nur wurden die geplanten Schleusen nie fertig gestellt. Dadurch sank derWasserspiegel in den Torfwäldern während der El-Niño-Trockenheit innerhalbweniger Monate um ein bis zwei Meter. In der Folge starben wegen Wassermangelund Übersäuerung viele Bäume ab.

 

Als dann aufGrund des El Niño der Regen ausblieb, war die Katastrophe vorprogrammiert.Vorzeichen für ein schweres El-Niño-Jahr nahmen die Behörden nicht ernst undgaben keine Warnungen heraus. Traditionell nutzen die indonesischen Bauern dieTrockenzeiten, um mittels Brandrodung neue Ackerflächen zu gewinnen. Die Brände,die zur Rodung für das Reisprojekt gelegt wurden, gerieten außer Kontrolle undbreiteten sich schnell in den trockengelegten Torfgebieten aus. Hinzu kam, dassskrupellose Unternehmer die extreme Trockenheit als besonders gute Gelegenheitwahrnahmen, um mittels Feuer schnell und kostengünstig Land für neue Plantagenzu roden.

 

Von derTradition zur unverantwortlichen Brandrodung

 

Die Feuererreichten gewaltige Ausmaße und drangen auch in intakte Torfwälder ein. Siezerstörten nicht nur die üppige Waldvegetation, sie fraßen sich auch durchdie Torfflöze und setzten dadurch riesige Mengen Rauch frei, der schließlichfast ganz Südostasien bedeckte und den Menschen in entfernten Großstädten wieSingapur und Kuala Lumpur gesundheitlich schwer zu schaffen machte.

 

Unsinteressierte besonders, wie viel Kohlendioxid (CO2)durch diese gewaltigen Torfbrände freigesetzt wurde und inwieweit dieseKatastrophe zur Erderwärmung beiträgt. Torf ist ja die Vorstufe zu Kohle, alsofossile Biomasse, deren Kohlenstoffanteil durch Verbrennung in Form von CO2und anderen Gasen in die Atmosphäre gelangt.

 

Auch hierlieferte die Satellitenfernerkundung die notwendigen Daten. Wichtigste Größenwaren die Brandfläche sowie das verbrannte Material. Denn zur Berechnung des CO2-Ausstoßesmacht es einen Unterschied um den Faktor zehn bis tausend, ob Gras, Wald oderTorf verbrannt sind. Zur exakten Ermittlung der Brandfläche mussten wir Datenvon drei verschiedenen Satellitensystemen auswerten. Wir nutzten einerseitsLandsat-Daten. Da der Landsat-Satellit das gleiche Gebiet der Erdoberfläche nuralle 16 Tage aufnimmt, erhielten wir erst ein halbes Jahr nach den Bränden einebrauchbare Aufnahme. Zuerst versperrte dichter Rauch die Sicht, dann dickeRegenwolken, und danach verhinderte ein dichter Pflanzenwuchs die Erkennung derBrandflächen. Deshalb nutzten wir zusätzlich Daten des europäischenRadarsatelliten ERS-2.

 

Wirentwickelten ein Verfahren, mit dem sich die Brandfläche anhand von unmittelbarvor und nach den Bränden aufgenommenen Radarbildern sehr genau ermitteln lässt.Es ist so sensitiv, dass man auch unterschiedliche Feuerschäden auseinanderhalten kann. Wenn zum Beispiel auf der Fläche eines Hektars nur ein Viertelaller Bäume verbrannt ist, so erhält man ein stärkeres Signal, als wenn mehrals die Hälfte der Vegetation vernichtet wurde. Mittels Radardaten, die währendder Feuer aufgenommen wurden, kann man sogar die Ausbreitung und räumlicheDynamik der Waldbrände untersuchen.

 

Zur Kontrolleder Brandflächenkartierung verwendeten wir ein drittes Satellitensystem, denamerikanischen NOAA-AVHRR-Wettersatelliten. Die davon gewonnenen Informationenüber aktiv brennende Feuer waren nützlich, um Trockenschäden auszuschließen,die unter Umständen in den Landsat- oder ERS-Bildern mit Brandschädenverwechselt werden könnten.

 

Wenn Torfwaldbrennt

 

Diekombinierte Auswertung der Satellitendaten zeigte, dass in dem 2,4 MillionenHektar großen Untersuchungsgebiet 32 Prozent (800.000 Hektar) der Flächeverbrannten. Die größten Schäden waren in unmittelbarer Nähe zu den Bewässerungskanälenerkennbar, während Gebiete mit intakter Hydrologie kaum brannten. Nach unsererBerechnung zerstörten die Feuer 51,3 Prozent des trockengelegten Gebiets. Außerhalbbetrug der Anteil nur 19 Prozent.

 

Fast die Hälfteder Brandfläche waren Torfwälder, die zum Teil noch ungestört und zum Teildurch Holzfäller geöffnet waren. Der Rest betraf stark ausgelichtete, durchFeuer und Holzeinschlag massiv degradierte Wälder, Buschland oderlandwirtschaftliche Flächen. Die Schadensanalyse innerhalb einer Vegetations-oder Nutzungsklasse lieferte ein eindeutiges Ergebnis: je gestörter der Walddurch menschliche Eingriffe, desto größer die durch Feuer verursachten Schäden.Während nur vier Prozent von 217.000 Hektar des “primären”, also völligungestörten Torfsumpfwalds verbrannten, vernichtete Feuer dreißig Prozent von1.020.000 Hektar der zuvor holzwirtschaftlich genutzten Torfsumpfwälder – undsogar mehr als siebzig Prozent der zuvor schon stark degradierten Wälder.

 

Dieses aus ökologischerSicht ungemein wichtige Ergebnis konnten wir im Rahmen einer anderen von der GTZgeförderten Studie bestätigen. In der Provinz Ost-Kalimantan auf Borneokartierten wir anhand von Radardaten die gesamte Brandfläche in der Provinz. ImJahr 1998 verbrannten hier insgesamt 5,2 Millionen Hektar, das entspricht der Flächeder Schweiz. Die Aufnahmen des NOAA-Wettersatelliten zeigten zwischen Januar undApril 1998 in ganz Ost-Kalimantan über 60000 Brandherde.

 

Indem wir mitden Landsat-Daten die holzwirtschaftlich genutzten und die völlig ungestörtenWälder getrennt erfassten, konnten wir den Zusammenhang zwischen Holzeinschlagund Feuergefährdung aufzeigen: Nur dort, wo das Kronendach des Regenwalds durchHolzeinschlag geöffnet war, konnte das Feuer zerstörerische Kraft entwickeln.Wenn die Sonne den Waldboden erreicht, setzen sich Licht liebendePionierpflanzen durch, die bei Dürre absterben und idealen Brennstoffdarstellen. Zudem hinterlassen die Holzfäller tote Biomasse in Mengen. Vonjedem eingeschlagenen Baum bleiben die gesamte Baumkrone und die Brettwurzelungenutzt zurück. Dieses Material trocknet mit der Zeit aus und liefert denFlammen noch mehr Nahrung. Ein geschlossenes Laubdach dagegen hält die Luftdarunter immer feucht, die Bodenvegetation ist relativ karg und das Feuer findetwenig Nahrung. Zu ähnlichen Ergebnissen kamen vor uns mit anderen MethodenForscher, welche die Auswirkungen von Feuer im Amazonasregenwald untersuchten.

 

Aber nicht nurdie Brandursachen, die Brandfläche und der Zerstörungsgrad der Wälderinteressierten. Vor allem wollten wir berechnen, wie viel Biomasse bei denTorfbränden 1997 in Flammen und Rauch aufgegangen war. Wie groß war die Menge,die aus den brennenden Wäldern stammte, und wie groß die Menge aus dem Torf?Gerade die Freisetzung fossiler Kohlenstoffe gilt als wichtiger Faktor für diebeobachtete globale Klimaerwärmung. Die einst von Pflanzen synthetisierte, imTorf – und später in Kohle – komprimiert gespeicherte Biomasse verbrennt unteranderem zu Kohlendioxid. Klimaforscher vermuten, dass der in letzter Zeitgemessene Anstieg dieser Verbindung in der Atmosphäre entscheidend zurweltweiten Klimaveränderung beiträgt.

 

GlobaleKlimawirkung

 

Um die Mengedes in den Torflagern gespeicherten Kohlenstoffs und des freigesetzten CO2abschätzen zu können, war es notwendig, neben der Brandfläche und derverbrannten Vegetation auch die Menge des gelagerten und des verbrannten Torfszu ermitteln. Dies war nur mit Hilfe umfangreicher Torfbohrungen möglich. Dazumaßen unsere indonesischen Kollegen zunächst die Dicke der Torfschicht. Inmonatelanger Schwerstarbeit führten sie auf einer 3800 Quadratkilometer großenFläche des Untersuchungsgebiets von Zentral-Kalimantan mehrere hundertBohrungen durch, die mittels Satellitenpeilung in einem regelmäßigen Gitter überdas Gelände verteilt waren. Mittels eines geografischen Informationssystems ließsich daraus das Volumen berechnen. Wie sich herausstellte, reichen die Torflagerin diesem Gebiet stellenweise über acht Meter tief. Im Mittel sind sie 2,3Meter dick.

 

Insgesamt istauf der vermessenen Testfläche das gigantische Volumen von 0,4 bis 0,8Gigatonnen (Milliarden Tonnen) Kohlenstoff im Torf gespeichert. Hochgerechnetauf Indonesien ergibt das zwischen 25 und 50 Gigatonnen.

 

In einerzweiten Messreihe wurde bestimmt, wie tief die Feuer in die Torflagereindrangen. Im Durchschnitt verbrannten etwa fünfzig Zentimeter Torf, maximalbis zu zwei Meter (Bild oben). Diesen Durchschnittswert haben wir mit der ausden Satellitendaten ermittelten Brandfläche multipliziert und den Kohlenstoffaus der verbrannten Waldvegetation hinzuaddiert. Hochgerechnet auf alleverbrannten Torfgebiete in Indonesien ergab dies die gigantische Menge von 0,8bis 2,5 Gigatonnen Kohlenstoff, die 1997/98 allein durch Torfbrände freigesetztwurden. Nur etwa zwanzig Prozent davon stammten von verbrannter Vegetation. (DieSchwankungsbreite ergibt sich aus Unsicherheiten der Bestimmung der Torfwaldflächesowie der Brandfläche in Torfgebieten für ganz Indonesien.)

 

Dieser Beitrag- aus einem für globale Maßstäbe vergleichsweise sehr kleinen Gebiet -entspricht zwischen 13 und 40 Prozent des weltweiten Kohlendioxidausstoßesdurch Verbrennung von Erdöl, Kohle und Gas im selben Jahr. Messstationen aufHawaii registrierten für 1997 einen fast doppelt so hohen Anstieg der atmosphärischenCO2-Konzentrationwie in den Jahren zuvor und danach. Diese Steigerung ist seit Beginn derMessungen im Jahr 1957 ohne Beispiel. Die Brände in Indonesien haben zu diesemAnstieg wesentlich beigetragen. Zwei andere Studien zur CO2-Freisetzungdurch Waldbrände stützen unsere These.

 

SteigendeGefahr für neue Brände

 

BisherigeKlimamodelle berücksichtigen den CO2-Ausstoßbrennender Regenwälder nicht. Bedenkt man, dass noch nicht einmal der zehnteTeil des in Indonesien lagernden Torfs in Flammen aufgegangen ist, zeigt diesdas klimawirksame Potenzial künftiger Feuerkatastrophen. Bereits im Herbst2002, einem schwachen El-Niño-Jahr, sind wieder mehrere hunderttausend HektarTorfwald Zentral-Kalimantans verbrannt, von der Weltöffentlichkeit kaumbeachtet.

 

Auch dieMedien etwa in Deutschland berichten eher von den klimatisch gesehen viel nebensächlicherenWaldbränden in Australien, Portugal oder den Vereinigten Staaten. Kaum jemandemist bewusst, dass 1997 und 1998 in Indonesien zehn- bis zwanzigmal so vielKohlendioxid in die Atmosphäre stieg wie Deutschland in den letzten zehn Jahrenim Rahmen der Klimapolitik mit Milliardenaufwand eingespart hat. Eine globalgesehen eher kleine Region kann so binnen Monaten die Anstrengungen Vielerzunichte machen. Wollte man diese CO2-Mengenmit neu angepflanztem Wald wieder auffangen, müsste man über 200000Quadratkilometer Land aufforsten, eine Fläche zweieinhalbmal so groß wie Österreich,und dreißig Jahre warten.

 

PolitischesVersagen

 

Die AsianDevelopment Bank schätzte 1999 den volkswirtschaftlichen Verlust durch dieBrandkatastrophe von 1997/98 auf über 9 Milliarden Euro. Darin enthalten warenmangels Daten nicht einmal Faktoren wie das verlorene exportierbare Tropenholz(nach unserer Analyse über 2 Milliarden Euro) oder andere vernichtetebiologische Ressourcen. Der Schätzwert der Bank betraf nur etwa Einnahmeausfälleim Tourismus und rauchbedingte Gesundheitskosten.

 

UnsereUntersuchungen zeigen, dass die Feuer erst durch das Zusammenwirken mehrererFaktoren ein so dramatisches Ausmaß annehmen. Ungestörte Torf- undTieflandregenwälder brennen kaum, auch nicht nach mehreren Monaten Trockenheit,wie sie nur während eines besonders starken El Niño auftreten können. Erstdie Kombination von langer Trockenheit und einer falschen Entwicklungs- undLandnutzungspolitik führen in die Katastrophe. Zurzeit ist illegalerHolzeinschlag in Indonesien das größte Problem. Durch eine holzwirtschaftliche(Über-)Nutzung sowie die Trockenlegung der Torfsümpfe wird die natürlicheLuft- und Bodenfeuchtigkeit so weit abgesenkt, dass der Torfboden und dieVegetation Feuer fangen können.

 

Zudem setzt inRegenwäldern, die einmal gebrannt haben, eine verhängnisvolle Wirkungsketteein. Untersuchungen im Amazonasregenwald wiesen auf, dass die Wahrscheinlichkeitdafür, dass ein Waldgebiet ein zweites Mal brennt, wesentlich höher ist als fürdas erste Mal. Feuer bereitet sich so gesehen selbst den Weg: In feuergeschädigtemWald herrscht ein trockeneres Mikroklima, und schnell wachsende Pionierpflanzen,die besonders anfällig für Trockenheit sind, geben ein ideales Brennmaterialab. Es entsteht eine positive Rückkoppelung, wie es der amerikanische FeuerökologeMark A. Cochrane vom Woods-Hole-Forschungszentrum (Massachusetts) ausdrückt. Jeöfter das Feuer kommt, desto wahrscheinlicher und verheerender brennt es.Endstation dieses Zyklus ist eine feuerresistente artenarme Savannenvegetation,in Indonesien Alang-Alang genannt. Die Theorie bestätigen aktuelle Ergebnisseaus dem Jahr 2002: 61,5 Prozent der 1997 verbrannten Fläche stand im Jahr 2002wieder in Flammen.

 

Es wirdmassiver internationaler Anstrengungen bedürfen, damit die tropischen TorfwälderSüdostasiens und die mächtigen Torfböden in den nächsten Jahren nicht vollständigin Rauch aufgehen. Indonesien wird das kaum allein leisten können. Leider hatdie Bundesregierung die Entwicklungszusammenarbeit mit dem Land in diesemBereich kürzlich beendet.

Literaturhinweise

 

Feuer in Waldökosystemender Tropen und Subtropen. Von J. G. Goldammer. Basel 1993

 

Fire science for rainforests. Von Mark A.Cochrane in: Nature, Bd. 421, S. 913 (27. Febr. 2003)

 

The amount of carbon released from peat and forest fires in Indonesiaduring 1997. Von S. E. Page et al. in: Nature, Bd. 420, S. 61 (7. Nov. 2002)

 

Increased damage from fires in logged forests during droughts caused byEl Niño. Von F. Siegert et al. in: Nature, Bd.414, S. 437 (22. Nov. 2001)

 

***

 

EinzigartigesÖkosystem

 

In Indonesienfinden sich die größten Torfwaldgebiete weltweit. Sie bedecken etwa zehnProzent der Landesfläche (rund 20 Millionen Hektar). Auf Torf wachsende Wäldersind als Ökosystem kaum bekannt und wissenschaftlich wenig erforscht.Erstaunlich ist, dass auf diesen viele Meter dicken Torflagern Wälder wachsen,deren Bäume bis fünfzig Meter hoch werden können. Torf ist ein extrem nährstoffarmes,fast lebensfeindliches Bodensubstrat. Nur spezialisierte Pflanzen können dortüberleben und gedeihen. Daher ist die Vegetation im Torfsumpfwald einzigartig.

 

DieArtenvielfalt ist mit bis zu 120 Baumarten pro Hektar nicht so hoch wie imTieflandregenwald, jedoch wesentlich höher als in den Wäldern der gemäßigtenBreiten. Typisch ist eine Vielfalt Fleisch fressender Kannenpflanzen, die hierwegen der Nährstoffarmut ideale Bedingungen finden. In den letzten Jahrenwurden in Borneo die Torfwälder Zentral-Kalimantans letztes Rückzugsgebiet fürden Orang-Utan.

 

Viele derKenntnisse über diesen Waldtyp hat erst Jack Rieley von der UniversitätNottingham (England) in den letzten acht Jahren gewonnen, der in unserem Teammitarbeitet. Er bestimmte zusammen mit Kollegen durch Bohrungen Dicke und Alterder Torfflöze in Südborneo. Sie reichen mancherorts bis zu 18 Meter tief.Rieleys Radiokarbonmessungen zeigten, dass sich die Torflager in den letzten20000 Jahren gebildet haben. Dabei wurden riesige Mengen Kohlendioxid (CO2)fixiert. Ursachen für die Torfbildung in der Sundaschelf-Region sind ein extremgeringes Gefälle des Geländes, der ansteigende Meeresspiegel nach der letztenEiszeit und die großen Wassermassen, welche die Flüsse aus dem Landesinnerenin die Küstenebenen bringen. In der Regenzeit staut sich das Wasser und überflutetden Waldboden monatelang.

 

Links:

 

Global Fire Monitoring Center: https://gfmc.online

 

Integrated Fire Management Project –http://www.iffm.org/

 

STRAPEAT – http://www.alterra-research.nl/pls/portal30/docs/folder/strapeat/strapeat/default.htm

 

Remote Sensing Solutions GmbH – http://www.rssgmbh.de/

Quelle:

Spektrum der Wissenschaft Februar 2004, Seite 24,

http://www.wissenschaft-online.de/abo/spektrum/archiv/7020

Von FlorianSiegert


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