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Ein gesunder Wald braucht hin und wieder Feuer 

BaslerZeitung (9. Januar 2002)


Derweil die Busch- und Waldbrände im Südosten Australiens momentan mehr oder weniger unter Kontrolle sind, kommt der Kampf der Brandbekämpfer unter Feuer: Forstwissenschafter bezweifeln, ob es
sinnvoll ist, jeden Waldbrand immer gleich löschen zu wollen. 
In den letzten dreissig Jahren hat sich die Einstellung der Ökologen zum Thema Feuer gewandelt. Galten früher brennende Wälder, Savannen oder Buschlandschaften noch als Katastrophe, wissen die Forscher mittlerweile mehr. «Feuer gehört zur Natur», sagt Johann Georg Goldammer, Professor und Leiter der Arbeitsgruppe Feuerökologie am Max-Planck-Institut für Chemie in Freiburg/Breisgau. In Australien brennen jedes Jahr zwischen 20 und 70 Millionen Hektaren Land. «Das sind zwischen 100 000 und 250 000 Feuer, die zum Teil durch Blitzschlag entfacht oder absichtlich gelegt wurden.» Dahinter steckt aber meist nicht Brandstiftung, denn «kontrolliertes Feuer» gehört in Australien zum normalen «Handwerkszeug» der Förster. Es wird eingesetzt, um feuergefährliches Unterholz in Schach zu halten oder die Verjüngung von Wäldern zu fördern. Goldammer, einer der renommiertesten Feuerforscher weltweit, ist davon überzeugt, dass Feuer eine wichtige Rolle in der Natur spielt. Selbst in unberührten Lebensräumen wie dem Urwald Borneos sind Brände an der Tagesordnung. Goldammer hat dort Hinweise für 20 000 Jahre zurückliegende Feuer gefunden.

 

Umdenken in den USA

Werden die Waldbrände unterdrückt, können die Konsequenzen verheerend sein: Lange hatten Forstleute in den USA geglaubt, dass man Waldbrände sofort löschen müsse. Die Folge war, dass sich die Struktur des Waldes änderte. Seit 1890 hatte man in den Koniferenwäldern der Sierra Nevada alle Brände konsequent zu löschen versucht. Hundert Jahre später war der einst lockere Baumbestand stark verdichtet, und die Sämlinge hatten Schwierigkeiten gross zu werden. In anderen Wäldern wuchs eine leicht brennbare Vegetation nach; spätere Feuer waren dann entsprechend gravierend. In der Folge wurde in den 90er Jahren von der US-Regierung eine Kommission eingesetzt, um ein einheitliches Feuermanagement-System für das ganze Land auszuarbeiten. «Dabei ging es darum, die Rolle von natürlichen Feuern als wichtiger ökologischer Prozess zu berücksichtigen», erklärt Timothy Ingalsbee, Direktor des Western Fire Ecology Center in Eugene, Oregon. Aber nicht nur Wälder, sondern auch die Savannen Afrikas und anderer Kontinente brennen regelmässig. Etwa alle ein bis drei Jahre geht ein Grossteil dieser Fläche von rund 2,6 Milliarden Hektaren in Flammen auf. Pro Jahr – so schätzen Feuerökologen – brennen zwischen 200 und 500 Millionen Hektaren ab. Dass sich das Feuer schnell verbreitet, liegt an der Produktivität des Lebensraums Savanne. Immerhin sammeln sich während der Vegetationszeit pro Hektar zwischen fünf und zehn Tonnen Biomasse an. «Feuer hat unsere Landschaft zum grossen Teil mitgeprägt», sagt Goldammer. Die Landschaft in Zentraleuropa ist eine Kulturlandschaft, die unter dem Einfluss des Menschen entstanden ist: 
Erst die Rodung der meisten Waldflächen zum Ende des Mittelalters hat die offenen Landschaften, die unsere Region prägen, entstehen lassen. Und der Einsatz von Feuer durch die Bauern hat über Jahrhunderte dafür gesorgt, dass die offenen Flächen nicht wieder zuwuchsen. Bis in das letzte Jahrhundert war die Brandwirtschaft weit verbreitet. Aber der Naturschutz machte dieser Praxis ein Ende. So wurde etwa in den letzten 30 Jahren das Abflämmen von Grasland im Winter aus Naturschutzgründen verboten. Die Folgen waren dramatisch. Vor allem offene Flächen an Steilhängen, die nicht mehr wirtschaftlich zu nutzen waren, verbuschten zusehends. Das Gras verfilzte, und aus den einst artenreichen Lebensräumen zogen sich seltene Tier- und Pflanzenarten zurück.

Feuer hilft der Artenvielfalt

Drastisch zeigen sich solche Veränderungen an nicht mehr genutzten Weinbergen. Im Weinbaugebiet Kaiserstuhl bei Freiburg hat die Arbeitsgruppe Feuerökologie in den letzten Jahren die noch vorhandenen, wiesenartigen Böschungen mit Feuer erhalten und Problempflanzen wie Waldrebe und Goldrute zurückdrängen können. Durch eine wirtschaftlich rentable Landschaftspflege mit dem Streichholz kann die einstige Artenvielfalt wieder hergestellt werden. Damit die Tiere Rückzugsmöglichkeiten haben und die Flächen möglichst schnell wieder besiedelt werden, erfolgt das Abbrennen nur kleinflächig und abschnittsweise. Zwischen November und Februar ist die Bodenfeuchtigkeit sehr hoch, so dass das Lauffeuer dann nur relativ geringe Temperaturen von zirka 60 Grad Celsius an der Bodenoberfläche erzeugt und die Humusauflage nur wenig beeinträchtigt wird. Auch im Wald könnte man Feuer wieder einsetzen, glaubt Goldammer. Einer seiner Mitarbeiter, der Forstwissenschafter Marco Hille, untersucht etwa die Möglichkeiten, in Kiefernwäldern Feuer einzusetzen. Das könnte vor allem bei der Verjüngung dieser Wälder helfen. Und ältere Kiefern selber sind ziemlich unempfindlich gegen Feuer. Goldammer: «Die überleben Brände erstaunlich gut.»

Nationalpark zu klein

Anders sieht die Situation allerdings aus, wenn Waldbrände – wie im Falle Australiens – Siedlungsgebiete oder Kulturland bedrohen. «Wenn es bei uns brennen würde, müssten wir löschen», meint Hans Lozza von der Verwaltung des Schweizer Nationalparks. Vor knapp 50 Jahren hat es zum letzten Mal im Park im Südosten der Schweiz gebrannt. Damals hatte ein Feuer, mit dem Äste des Lawinenwinters 1951 verbrannt wurden, auf den Wald übergegriffen. «Eigentlich müsste man in einem Nationalpark einen natürlichen Waldbrand auch brennen lassen, doch das geht aus Sicherheitsgründen nicht.» Zu gross wäre die Gefahr, dass das Feuer auf  die angrenzenden Wirtschaftswälder überspringt. «Wir haben halt nicht die grossen Flächen, wie es sie in den Nationalpärken der USA gibt», sagt Hans Lozza.

Von Oliver Klaffke 
© 2002 National Zeitung und Basler Nachrichten AG 


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