GFMC: Summit
ChaotischeBrände, verfehlte Forstpolitik
by Peter Riesbeck,Berliner Zeitung, 31. Oktober 2003
BERLIN, 30. Oktober. Seit Tagen lodern die Brände im SüdenKaliforniens. Bis zu 80 Meter hoch schlagen die Flammen, und manch ein Helferhat längst resigniert: “Es brennt an so vielen Fronten, es ist nicht zukontrollieren”, sagt Feuerwehrmann Chris Cade. Ein Kollege klagt: “Esist, als wollte man das Chaos kontrollieren.”
Johann Georg Goldammer kennt solche chaotischenBrandbilder. Er zündelt selbst gerne. Im Auftrag der Wissenschaft. Der Forscherist Europas einziger Professor für Feuerökologie. Er und seine dreiMitarbeiter am Global Monitoring Center der Universität Freiburg beobachten perSatellit Waldbrände in aller Welt – auch jene in Kalifornien. “Das Feuerist unter den extremen Bedingungen kaum zu stoppen”, sagt Goldammer. Einelange Hitzeperiode ließ die Vegetation austrocknen, heiße Winde mitGeschwindigkeiten bis 90 Stundenkilometer fachen die Feuer ständig an.”Dabei kommt es zu Funkenflug”, sagt Goldammer. “Es gibt keinesolide Feuerfront. Die Richtung des Brandes ändert sich minutenschnell. Es istein Chaos.”
Dennoch mag der Forscher nur ungern von Katastrophesprechen. Denn die Ursachen für die Feuer sind zum Teil selbst verschuldet.Rund um die Millionenstädte Los Angeles und San Diego strebten in denvergangenen Jahrzehnten immer mehr Menschen ins Umland. “Und wer ein Häuschenim Grünen hat, möchte zwischen Bäumen und Büschen wohnen”, erzähltGoldammer. Nicht aber in durchforsteten Zonen.
Schon lange haben Naturschützer vor den Gefahren einesWaldbrands im Süden Kaliforniens gewarnt. Getan hat sich wenig. 53 MillionenDollar gibt der Bundesstaat für den Brandschutz in den Wäldern aus, auf dengefährdeten Süden entfallen davon nur vier Millionen Dollar. Chaparral heißtjene Vegetation aus Büschen und Krüppel-Eichen, die den Süden Kaliforniens prägtund die sich an Brände gut angepasst hat. “Ein Feuerökosystem”, sagtGoldammer. Die Vegetation kehre nach Bränden stets zurück. Dieses Mal könntees anders sein. Von “Severity” spricht Goldammer, von schweren Feuern,die Pflanzensamen im Boden vernichten. Die Folge: Die Vegetation stirbt ab. Beistarken Regen drohen Überflutungen und Erosion.
Eine Durchforstung und gezielte Brände, die das Unterholzlichten, könnten dagegen helfen. Doch in den noblen Vororten haben sich vieleMenschen häufig dagegen verwahrt. Schließlich zieht niemand ins Grüne, umwochenends auf verkohlte Baumstümpfe zu starren und sich Brandgeruch um dieNase wehen zu lassen. Nun weht der Geruch weiter nach Washington. “Wachtauf und riecht den Rauch”, schreibt der Abgeordnete Richard W. Pombo undwirbt für die Forstpolitik von Präsident George W. Bush, für dessen Programm”Gesunde Wälder” und eine kräftige Durchforstung. Sehr zur Freudeder Holzindustrie, die Bush energisch unterstützt.
Doch auch Feuerökologe Goldammer plädiert für eine veränderteUS-Forstpolitik. Einst hat er in den USA studiert, von dort hat er vor 30 Jahrendie Begriffe Feuerökologie und Brandrodung nach Deutschland gebracht. Heutestellt er fest: “Die Vorbildprojekte sind letztlich nicht in die Flächegegangen.” Sein Fazit: “Die USA büßen derzeit für eine verfehlteForstpolitik, die bis ins 19. Jahrhundert zurückreicht.”
Quelle: http://www.berlinonline.de/berliner-zeitung/tagesthema/288956.html