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DerHitze entgegen

 


Berlin (Der Tagesspiegel, 06.08.2003) – Mittagshitze in der Lausitz. Alexander Held läuft mit einer Fackel durch den Wald. Sie ist mit einem gut brennbaren Diesel-Benzin-Gemisch gefüllt. Um 12 Uhr 45 hält er die Flamme an das trockene Altholz. Das Feuer breitet sich in Sekundenschnelle aus, und schon geht ein Gebiet von zweieinhalb Quadratkilometern Wald im Norden von Cottbus in Flammen auf.

Alexander Held hätte es an diesem Mittwoch, dem 30. Juli, gerne noch heißer und trockener gehabt. Dann hätten der Forstwissenschaftler und seine Kollegen vom Max-Planck-Institut für Chemie noch besser studieren können, wie sich ein Feuer unter solch extremen Witterungsbedingungen entwickelt, wie wir sie nun, eine Woche später, nahezu überall in Europa vorfinden. Der Wald wäre sowieso dem Tagebau zum Opfer gefallen.

In Spanien und Portugal, in Frankreich und Kanada stehen die Wälder in Flammen. Und während die Feuerwehr am Mittwoch in der Lausitz schon vor dem Zündeln an Ort und Stelle war und ein Satellit die Ausbreitung des Feuers aus dem Weltraum überwachte, sind die Brände in vielen Regionen der Erde völlig außer Kontrolle geraten.

„Wir haben in diesem Jahr nicht unbedingt mehr Brände als sonst“, sagt Held. „Aber die Intensität des Feuers ist sehr hoch.“ Statt über den Boden zu kriechen, schießen die Flammen wegen der extremen Trockenheit und Hitze allenthalben so hoch und so heiß auf, dass sich kaum noch ein Löschtrupp in die Nähe wagen kann.

In Portugal toben inzwischen mehr als 70 Waldbrände, es sind die vermutlich schlimmsten Feuersbrünste seit Jahrzehnten. Bei Temperaturen von 40 Grad ist der Funkenflug derart gefährlich, dass sich mutige Feuerwehrleute unvermittelt von neuen Brandherden eingekesselt sehen. In solche Großfeuer kann man keinen Feuerwehrmann mehr guten Gewissens hineinschicken.

Gefährlicher Funkenflug

In den vergangenen Tagen sind in Spanien und Portugal etwa 250 Quadratkilometer Wald und Buschland abgebrannt. Bevölkerung und Feuerwehrleute stehen meist hilflos vor den anrückenden Flammenwänden. Es bleibt nichts anderes, als die Häuser zu verlassen und sich in Sicherheit zu bringen.

Es brennt augenblicklich aber nicht nur in besiedelten Regionen Europas und Kanadas, sondern auch in Gebieten, in die sich kein Reporter oder Kamerateam verirrt. Nur vom Weltraum aus können wir etwa die Brände im Süden Sibiriens verfolgen, neben denen sich die Flammen in Portugal und Spanien wie Strohfeuer ausnehmen. Seit dem Frühjahr sind in Sibirien mehr als 20 Millionen Hektar Waldlandschaft abgebrannt – doppelt so viel wie die Fläche des gesamten deutschen Waldes.

In den tropischen und subtropischen Savannen erstrecken sich die jährlichen Brände über noch größere Gebiete. Zu einer Veränderung des Klimas tragen solche Feuer nicht bei. Die Wälder in Sibirien etwa erholen sich in der Regel nach kurzer Zeit wieder so gut, dass sie dieselbe Menge an Kohlenstoff binden können, die zuvor beim Brand in die Luft gelangt sind.

Brände, die durch Blitzschlag ausgelöst werden können, wie in Kanada und oft auch in Sibirien, sind Teil einer zyklischen Erneuerung der Vegetation. In Europa haben Feuer dagegen nur in den seltensten Fällen natürliche Ursachen.

Explosive Wälder

Von 513 Waldbränden in Deutschland im vergangenen Jahr waren nur 23 auf Blitzeinschläge zurückzuführen. Die Hauptursachen seien Brandstiftung und fahrlässiger Umgang mit Zigarettenkippen oder Grillplätzen gewesen, sagt Franz Badeck vom Potsdamer Institut für Klimafolgenforschung. Auch bei dem Brand bei Jüterbog in Brandenburg am Montag war einmal mehr Fahrlässigkeit im Spiel. Dort trat Schwarzpulver aus verrosteter Munition aus, entzündete sich in der starken Hitze selbst und setzte 40 Hektar Forst in Flammen.

In Südeuropa sind die Wälder wegen der Hitze derzeit geradezu explosiv. In Südfrankreich löste eine achtlos weggeworfene Zigarette einen Waldbrand aus, der in rasendem Tempo über 1200 Hektar Bäume erfasste. Ein Campingplatz mit 1000 Urlaubern musste evakuiert werden.

Auch dieses Beispiel macht deutlich, warum Alexander Held und sein Kollegen gezielt Wälder zu wissenschaftlichen Zwecken in Brand setzen. Denn nur so lässt sich herausfinden, wie sich Feuer bei den jeweiligen Temperatur-, Wind- und Bodenverhältnissen entwickeln und wie man die oft spärlichen Hilfskräfte und Löschfahrzeuge am besten einsetzt. Gleichzeitig testen die Forscher mit ihren Experimenten die Zuverlässigkeit des Feuerüberwachungssatelliten „Bird“, mit dem das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt gegenwärtig neue Brandherde in Portugal und Spanien ausfindig zu machen versucht.

Für mehr als die Hälfte aller Feuer in den Mittelmeerländern sind Brandstifter verantwortlich. Sie zündeln unter anderem, um nicht mehr zu bewirtschaftende Flächen später als Bauland deklarieren zu können. Für das Klima hat dies keine unmittelbaren Konsequenzen. Aber die Landschaften vertrocknen und veröden mit der Zeit. (Von Thomas de Padova)


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