Kampf an vielen Fronten

Kampf an vielen Fronten

30. August 2007

veröffentlicht von www.merkur.de


Die immensen Schäden in Griechenland haben einen Schuldigen: den Menschen. Dass Feuer ein nützlicher Teil der Evolution sein kann, ist da kein Trost.

Alle Sommer wieder kommen sie, liefern Bilder zwischen Schrecken und Faszination. Sie vernichten Menschenleben, Häuser und Holzbesitz, machen Angst und provozieren Fragen:Warum immer wieder diese Waldbrände wie jetzt in Griechenland, dem Land des Prometheus, mit olympischen Feuern der verheerenden und verzehrenden Art? Wie vor Wochen vor allem in Italien, Portugal, in Spanien und auf spanischen Inseln? Sind die Menschen ihnen hilflos ausgeliefert?Was folgt aus den Flammen für die Wälder, für die vernichtete Pflanzen- und Tierwelt?


INFERNO:  Zerstörung über Tausende von Hektar hinweg, zahlreiche Tote, ein bedrohtes Dorf. Rettung ist oft unmöglich. Gibt es daraus Lehren?
Foto: Reuters Allein in Mittelmeerländern werden pro Jahr mit steigender Tendenz bis zu 800 000 Hektar zerstört, das entspricht fast der Fläche Korsikas. Die Zahl der Waldbrände beläuft sich auf etwa 70000. Doch es sind die Länder selbst, sie sich verwundbar machen.

Die Probleme dahinter sind seit langem grundsätzlicher Natur und auch nicht mit Hunderten von Feuerwehrleuten und einigen Hubschraubern aus Frankreich, Norwegen, Deutschland und den Niederlanden zu lösen. Auch nicht mit Sonderfonds, Spenden, Brüsseler Krisensitzungen und der Festnahme möglicher Brandstifter.

In Deutschland zum Beispiel, so meinte ein Umweltstaatssekretär im Glutsommer 2003, sollen solche Frevler damals etwa ein Drittel der Waldbrände verursacht haben. Doch über die Täter und ihre Motive „gibt es nur wenig gesichertes Wissen, auch wenn sie als schwere seelische Störung aus psychologischer, kriminologischer und therapeutischer Sicht von großem Interesse sind“, so der Psychiater Volker Faust. Nur rund ein Drittel der Brandleger, zu 80 Prozent Männer, werden bei uns festgenommen.

Ebenso wichtig ist der Kampf an ökonomischen und ökologischen Fronten. Längst müsste Schluss sein damit, dass keineswegs pathologische Pyromanen, sondern brutal kalkulierende Brandstifter von ihrem Feuereifer profitieren, weil das begehrte Land, das sie zerstören, dann bebaut werden darf. Komplizierter und komplexer sind die Folgen für das Ökosystem Wald.

Noch immer gibt es nur wenige Fachleute, die sich damit befassen; Peter Frankenberg, der heutige Wissenschaftsminister in Stuttgart und frühere Mannheimer Professor, zählt dazu. Bis heute höchst aktiv ist Johann Georg Goldammer von der nur mühsam finanzierten Arbeitsgruppe Feuerökologie der Freiburger Universität. Sein Programm Global Fire Monitoring Center erhielt wegen seiner Verdienste bereits eine Auszeichnung der Uno.

Oft schon war er auf Borneo, in China und anderen Ländern, um auch dort die menschlichen Fehlplanungen und Versäumnisse aufzudecken. Und vor der Haustür in Freiburg, am Kaiserstuhl, hat seine Arbeitsgruppe in nicht mehr genutzten Weinbergen und Böschungen getestet, wie sich dort Feuer verbreitet und unerwünschte Pflanzen wie Waldrebe und Goldrute zurückhält, andere Arten aber fördert. „Rentable Landschaftspflege mit dem Streichholz“ nannte das die „Basler Zeitung“.

Goldammer ist Europas einziger Professor für dieses Fach. Er jongliert mit den Millionen Hektar, die weltweit Jahr für Jahr betroffen sind, ist von kaum etwas überrascht und kennt viele Schuldige. Einer davon: der Klimawandel. „Der ist keine Fiktion mehr“, sagt er. Klar muss ebenso sein, dass Feuer ein Faktor jeder Evolution ist, es gehört zur Natur wie Regen, Schnee und Wind. Für Griechen ist das kein Trost.

Dass Leute wie Goldammer meist nur dann gefragt sind, wenn es besonders schlimm gekommen ist, muss ihnen nicht gefallen. Aber das gibt ihnen wenigstens die Chance zum Hinweis, dass sich Waldbrände ganz anders als von Medien und Politik dargestellt „in den verschiedenen Vegetationszonen und Gesellschaften weltweit sehr vielfältig auswirken“, wie der Freiburger Professor einmal schrieb;da ist nicht alles gleich die große Katastrophe. Und auch nicht die große Überraschung.

Viele Gefährdungszonen für Wald- und Buschbrände sind bekannt (seine Gruppe stellt Karten dazu ins Internet); da könnten die jeweiligen Länder gezielt vorsorgen. Und mehr gegen sichere Risiken tun: Forste und Felder fachgerecht bewirtschaften, den Städtebau nicht in die Wälder treiben und sich damit bewusst der Gefahr nähern („Der Mensch siedelt dort, wo das Feuer wohnt – oder das Wasser“).Dieser moderne Landhunger heißt sehr anschaulich „Californisation“. Dagegen hilft es, den Rückzug bäuerlicher Betriebe zu stoppen, weil auf Brachland Büsche und Bäume folgen. Zudem ist der Brandschutz zu verbessern.

Doch die weltweite Vielfalt in riesigen Forstregionen hat auch diese Seite: Viele Wälder – freilich außerhalb Europas – brauchen regelmäßig Feuer, das kann dort sogar die Artenvielfalt fördern. Das lässt sich nachweisen und immer wieder kontrollieren, mal per Mikroskop, mal per Messflugzeug und Satellit. Der Kleinsatellit Bird (Bi-Spectral Infrared Detection) des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt erfasst aus 570 Kilometer Höhe Waldbrände und Vegetationsveränderungen, etwa in Griechenland, Kroatien, Kanada und Portugal. Um vor Feuer zu warnen und Waldbrände zuverlässig zu beobachten, müssten solche Satelliten allerdings alle 15 bis 30 Minuten über ein Gebiet fliegen.

„Feuer im Forst ist nicht per se böse, oft ist es ein wichtiger Teil des Ökosystems“, meint der Geograf Daniel Lingenhöhl in „spektrum direkt“. Er verweist auf Experimente in Nadelwäldern der USA. Durch den Staub und Ruß gezielter Brände wollten Forscher ermitteln, was ihnen folgt. Abkühlung, Verschmutzung, Dunkelheit? Ja, in den Monaten danach, doch später „kehrten sich die Verhältnisse um“, die Bilanz kann sich je nach Substanz viel später ausgleichen. Doch das sind begrenzte Versuche unter besonderen Bedingungen, die nichts Generelles belegen.

Manche Pflanzen haben sich an das Feuer so angepasst, dass sie sich erst nach Bränden fortpflanzen. Das gilt für die Sequoia-Mammutbäume; erst nach sengender Hitze und heißer Luft öffnen sich deren Zapfen, sodass die Samen auf die nährstoffreiche Asche fallen und dort keimen. Nutzen haben sie auch davon, dass ihre Konkurrenten nicht so resistent gegen Feuer sind.

Auf ganz besondere Feuermelder sind Bonner Zoologen gestoßen: auf den Australischen Feuerkäfer (Merimna atrata) und den auch bei uns heimischen Schwarzen Kiefernprachtkäfer (Melanophila acuminata).

Was der kann, ist einzigartig: Er orientiert sich mithilfe winziger, aber leistungsfähiger Infrarotrezeptoren; die informieren ihn über Kilometer hinweg und in Millisekunden darüber, dass sich sein Körper wegen der Hitze ausgedehnt hat. Daraufhin ändern diese Käfer ihr Verhalten:Sie paaren sich möglichst nahe an Brandherden, denn nur in totem Holz wachsen die Larven. 

Nun arbeiten die Bonner Spezialisten unter der Leitung von Helmut Schmitz daran, diese Minisensoren nachzubauen und als Chips industriell zu fertigen. „Seit Ende 2006 wird das Projekt vom Bundesforschungsministerium gefördert“, berichtet Martin Müller, ein Mitglied der Gruppe. Geplante Anwendungen für dieses Musterbeispiel an Bionik sind Frühwarnsysteme bei Brandgefahren und Nachtsichtgeräte für Autos.

 Ein verblüffendes Beispiel dafür, dass Feuer auch etwas Gutes haben.


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