“Nicht jedes Feuer ist schlecht”

“Nicht jedes Feuer ist schlecht”

10. Juli 2008

veröffentlicht von www.stern.de


Seit Wochen brennen in Kalifornien die Wälder lichterloh – eine Katastrophe für die Bewohner. Der Freiburger Feuerökologe Johann Goldammer erklärt im stern.de-Interview, wie es zu den verheerenden Bränden kommen kann und warum nicht jedes Feuer schlecht sein muss.
 

In Kalifornien fressen sich die Flammen durch
den Wald.
Photo: David McNewBilder von Waldbränden in Kalifornien sind uns vertraut geworden. Warum brennt es dort jedes Jahr?

Das liegt zum einem am Klima. Im Westen und im Südosten der USA bilden sich viele Trockengewitter. Fast jeder Blitzeinschlag führt zu einem Gras-, Busch- oder Waldbrand. In diesem Jahr hatten wir Tausende dieser Gewitter in Kalifornien. Sie sind die Hauptursache für die derzeitige Katastrophe. Dazu kommt der Mensch. Viele Feuer entstehen aus Fahrlässigkeit, beispielsweise durch Feuerwerkskörper am Independence Day. Oder dadurch, dass jemand mit seinem Auto in eine Wiese fährt, und der heiße Katalysator das Gras entzündet. Brandstiftung und Kriminalität spielen nur eine untergeordnete Rolle. Früher gab es öfter kleinere Brände, entweder durch Blitzschlag entstanden oder durch die indianische Urbevölkerung gelegt. Bis weit in die 1970er Jahre hatte man aus Angst vor Feuer und Rauch alle Feuer bekämpft. Dadurch sammelt sich brennbares Material in den Wäldern an. Wenn es jetzt zu einem Feuer kommt, ist es extrem schwer oder manchmal auch gar nicht zu kontrollieren. Kleine Feuer räumen den Wald auf! Nicht jedes Feuer ist schlecht.

Wo ist in Europa die Gefahr für Waldbrände am größten?

In Südeuropa gab es schon immer Wald- und Buschbrände. Hier hat der Mensch die Landschaft jedoch stark verändert und das Risiko erhöht. Das einzelne Streichholz ist nicht das entscheidende, sondern diese Veränderungen. So wurden in Portugal und Spanien Kunstforste mit Eukalyptusbäumen und Kiefern gepflanzt, die dort nicht heimisch sind. Die sind sehr feuerempfindlich. 2003 und 2005 gab es in Portugal große Waldbrände. Ökonomisch waren die Schäden immens, aber ökologisch? Wer weint solch einem Forst schon eine Träne nach? In Griechenland und auf dem Balkan spielt die Landflucht eine große Rolle. Niemand sammelt mehr Brennholz wie früher, Weiden werden aufgegeben und verbuschen. Feuer finden heutzutage so viel Nahrung wie noch nie zuvor! Die Feuer sind heißer und kaum zu löschen. Sie dringen tiefer in den Boden ein und zerstören ihn. In der Folge kommt es zu Bodenabtragung und Wüstenbildung.

Werden in Südeuropa Brände von Kriminellen und Landspekulanten gelegt?

Das ist eine Mär, eine Sage. Es mag den ein oder anderen Fall geben. Gesetzlich ist es aber verboten, auf verbranntem Land zu bauen.

Wo müssen wir in Deutschland am ehesten mit Waldbränden rechnen?

Ganz eindeutig in Brandenburg. Dort herrscht ein kontinentales, sehr trockenes Klima. Es wachsen vorwiegend trockenresistente Kiefern – und die brennen ganz gut. Das Risiko ist aber auch in Niedersachsen und Bayern hoch.

Beobachten Sie mehr Brände als früher?

Für Kalifornien ganz klar ja! Das ist auf den Klimawandel zurückzuführen. Es ist länger trocken als früher. Die Feuersaison im Westen der USA beginnt jedes Jahr einen Tag früher und endet einen Tag später, und das schon seit zehn Jahren. Für Deutschland können wir keine Zunahme feststellen. Klimaprognosen sagen zwar, dass es im Osten trockener wird. Es kann aber auch wie im April vergangenen Jahres in ganz Deutschland extreme Trockenperioden geben – und damit Feuer.

Wie wird auf die Waldbrandgefahr reagiert?

In den USA werden Blitzschläge rund um die Uhr überwacht. Da ist man gut gerüstet und kann schnell reagieren. Gegen Fahrlässigkeit hilft nur Aufklärung. In den USA heißt das Programm “firewise”. So wird den Leuten geraten, um die Häuser kein Buschwerk aufkommen zulassen. In Deutschland ist das Bewusstsein sehr groß. Während des trockenen Aprils 2007 haben wir täglich mit dem großen Knall gerechnet – aber der kam nicht, selbst am 1. Mai nicht, wo man traditionell wandert und grillt.

Ist Deutschland für einen großen Waldbrand gerüstet?

Jährlich registrieren wir mehrere Hundert Feuer. Im Durchschnitt brennen weniger als 5000 Quadratmeter. Darauf sind wir vorbereitet, das können wir löschen. Die letzte Katastrophe hierzulande war 1975/76. Die Erfahrungen von damals sind verloren gegangen. Wir arbeiten daher mit den Ländern, die für die Feuerwehren zuständig sind, und dem Bund an einem neuen Wandbrandkonzept.
 

Professor Johann G. Goldammer ist Feuerökologe am Max-Planck-Institut für Chemie in Mainz und leitet das “Global Fire Monitoring Center” (GFMC), das weltweit Hilfe beim richtigen Umgang mit dem Element Feuer anbietet.

Interview: Mathias Rittgerott


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