USA: Two More Found Dead in Califorina Mudslide, Toll at 11
Triangel desFeuers
VonJürgen Langenbach (Spectrum) 10.Januar 2004
Seit 300 Millionen Jahren spielt das Feuer mit in der Evolution: Es formt das irdische Leben und wird von ihm genährt. Lebt es selbst? Eine Zündelei.
Für Feuer braucht es dreierlei: Brennstoff, Sauerstoff, Zündfunken. Die Menschen haben sich die Verfügung darüber Stück für Stück angeeignet (c) epa (Schechter)
Feuer lebt, daran kann nur zweifeln, wer noch nie beobachtet hat, wie es sich giftrot an einem Holzscheit festsetzt, stahlblau in ihn hineinsägt und um ihn herumtanzt, grellgelb triumphiert, in allen Rotschattierungen verglüht. Dabei “spricht es nicht nur, sondern schimpft, schilt, hadert, keift, brummt, weint. Durch Hineinwerfen von Mehl, Brosamen, Salz oder Eierschalen vermag man aber, das erzürnte Feuer auch zu versöhnen.” Nun gut, das ist aus dem “Handwörterbuch des deutschen Aberglaubens”, und sprechen wird es nicht auch noch, aber das gehört ohnehin nicht zu den Kriterien des Lebens. Stoffwechsel und Reproduktion gehören dazu, beide erfüllt das Feuer fraglos, es pflanzt sich fort, solange Brennmaterial da ist, unterirdische Kohlelager in China brennen seit Jahrhunderten.
Und Sterne brennen seit Jahrmilliarden: “Fire, rapid burning of combustial material with evolution of heat, usually accompanied by flame.” So definiert es die Encyclopaedia Britannica, und Astrophysiker Rudolf Treumann übersetzt es mit “rascher exothermer Oxidations-Reaktion, die mit Flammenbildung verbunden ist”. Exotherme Oxidationen gibt es viele, sie wärmen das Eisen beim Rosten, sie wärmen unseren Körper beim Verbrennen von Zucker, aber das geht langsam und ohne Flammen, Feuer ist das nicht. Was uns von außen wärmt, ist für den Physiker hingegen die Inkarnation des Feuers: Sterne wie unsere Sonne liefern Energie, indem sie sich selbst verbrennen, Kernfusion betreiben. Auch hier werden aus brennbarem Material – Wasserstoff etwa – mit extremer Geschwindigkeit extreme Temperaturen erzeugt, und es gibt etwas Flammenähnliches, das Plasma. Für Treumann ist das die wahre Flamme, Feuer ist es trotzdem nicht, es wird nichts oxidiert. Kernfusion ist keine Chemie, sondern Physik, die Chemie erst ermöglicht: Als es Licht ward, nach dem Urknall, war nicht viel da. Es gab Wasserstoff und Helium, sie mussten von Sonnen und Supernovas erst zu den schwereren Elementen gekocht werden.
Auch zu denen, die zwei Eckpunkte der “Triangel des Feuers” bilden: Feuer braucht Brennmaterial, Sauerstoff und Zündfunken. Deshalb braucht Feuer – wie immer es um sein eigenes Leben bestellt sein möge – Leben: Biomasse und Sauerstoff. Und deshalb ist das Feuer auf der Erde jung. Genug Biomasse gibt es seit 400 Millionen, genug Sauerstoff seit 300 Millionen Jahren. Die ersten 298,5 Millionen davon loderte es so vor sich hin, wo eben der Blitz einschlug oder der Vulkan ausbrach. Die Natur stellte sich darauf ein und entwickelte viele Ökosysteme, die mit oder vom Feuer leben: Extreme Spezialisten unter den Pflanzen können nur keimen, wenn Feuer die Samen öffnet, andere brauchen es als Verbündeten, zum Niederhalten der Konkurrenz.
Dann nahm ein Neuling der Evolution das Feuer in die Hand, vor etwa 1,5 Millionen Jahren griff sich Australopithecus vom Blitz entzündete Äste und hütete die Glut nach Kräften, die ewigen Feuer der Vestalinnen, Kirchen und Unbekannten Soldaten erinnern daran, dass es nicht dunkel werden darf um die Macht. Australopithecus musste das Feuer hüten, andere Ahnen erlernten die Kunst, es zu zünden, vor etwa 500.000 Jahren. Beide Daten sind umstritten, aber wann immer es auch war, am Feuer wärmte der Mensch seinen Intellekt: “Als infolge der Entdeckung des Feuers ein Zusammenlauf und ein Zusammenleben entstanden war, brachten sie es zu Gesprächen untereinander und begannen, Hütten zu bauen.” So hat sich Vitruv, der Gründer der Architekturtheorie, schon vor Christi Geburt den “Ursprung der Gebäude” und der Menschen vorgestellt, die heutige Anthropologie hat daran nichts zu korrigieren.
Und wie sie so zusammensaßen rund um das Feuer, haben sie wohl auch über dessen Herkunft geplaudert und die Mythen ersonnen, die von den Menschenfreunden Luzifer und Prometheus, die das Monopol der Götter brachen und bitter büßten. Und die vom Kaiman. Von allen Tieren habe nur er das Feuer gehabt, und zwar im Maul, erzählen die Yanomami-Indianer: Immer zur Essenszeit sei er mit seiner Frau beiseite gegangen und habe das Maul geöffnet. Die anderen Tiere versuchten, ihn auch dazu zu bringen – zum Staunen oder Lachen -, einem Kolibri gelang es mit gewagten Flugfiguren. Das Feuer war frei, dem Kaiman schwante Übles. Er, von alters her ein Landtier, zog sich ins Wasser zurück.
Das kann nicht brennen. Schon die frühen Menschen bildeten mit Feuer nicht nur Geist und Gesellschaft, sie modellierten auch die Natur, brannten Wälder und Weiden frei, erst zur Jagd, dann zu Viehzucht und Ackerbau, die Savannen Afrikas sind es gewohnt. Noch später drangen die Menschen mit ihren Zündern auch in Ökosysteme ein, die das Feuer nicht kennen und unter ihm zusammenbrechen: “Der dunkle, in großen Massen sich entwickelnde, übelriechende Rauch bedeckt meilenweit die Lande, die Sonne verdunkelnd, so dass sie wie eine trübe Scheibe erscheint.”
Dieses Schreckbild stammt nicht aus dem heutigen Amazonien oder Südostasien, so beschrieb ein Zeitzeuge im 17. Jahrhundert das Moorbrennen in Norddeutschland. Ausgegraben hat es Johann Goldammer (Max-Planck-Institut für Chemie, Feuerökologie, Freiburg), der allzu voreiliges Kopfschütteln über den Unverstand der Regenwaldbrenner dämpfen will: “Indonesien entwickelt sich von einem Waldland in eine Agrar- und Industrienation und trennt sich von einem Teil des Waldes wie Europa früher auch. Brandwirtschaft ist Ausdruck von Not, von Landnot und Hungersnot.”
Und Brandwirtschaft ist – andernorts – eine alte Kunst, die rund um den Erdball betrieben wurde und wird, am ausgiebigsten dort, wo es niemanden aufregt: “Sie brennen, die Savannen und Trockenwälder, auf jährlich mehreren Hundert Millionen Hektar. Seit Jahrtausenden, seit Millionen von Jahren”, erklärt Goldammer, der für die UNO Bilanz führt: Jährlich brennen um die 650 Millionen Hektar – zur Größenordnung: Österreich hat gegen vier Millionen Hektar Wald -, davon 600 Millionen Hektar Savannen, je 10 bis 20 Millionen Hektar Laubwälder und Tropenwälder, noch einmal 10 bis 15 Millionen Hektar Taiga.
Das sind Durchschnittswerte, manchmal wird in Asien mehr abgefackelt, immer dann, wenn der Regenwald vom Klimaphänomen El Niño ausgedörrt ist, zuletzt 1997/98, als vor Rauch der Flugverkehr eingestellt werden musste. Dann kommt global mehr CO2 in die Luft – zusätzlich zum “normalen” Anstieg -, was den Laien nicht eben wundert, aber der Forschung eine um die andere ausgiebige Studie mit Satelliten und Simulationen wert ist (zuletzt: Science, 303, S. 73), der Klimawandel ernährt die Seinen.
Man kann ihn auch als Feuerwandel beschreiben. “Es gibt zu viel Feuer der falschen Art”, erklärt Feuerhistoriker Stephen Pyne: Zu viel fossiles Material wird im Norden verbrannt, zu viel Biomasse im Süden. Pyne, der das Feuer erhellt wie kein Zweiter, unterscheidet drei – aufeinander folgende und konkurrierende – Typen: das der Natur, das des kultivierenden Menschen, endlich das industrielle Feuer, das die ganze Feuer-Triangel bespielt: Es erschließt neue Brennstoffe – fossile -, es zündet sie und reguliert die Sauerstoffversorgung, von der Dampfmaschine bis zum Einspritzmotor, der den fahrbaren Herd auf Touren bringt.
Diese Geschichte wird überlagert von einer zweiten, der “imperialen”: In der Natur brennen Feuer dort, wo sich feuchte und trockene Perioden abwechseln, in der Regenzeit gedeiht die Biomasse, in der Trockenzeit wird sie von Blitzen gezündet oder von Menschen, die den Brennstoff ungefährlich machen. Europa gehört nicht zu diesen Klimazonen, hier lernte man andere Feuer fürchten – die Brände von London und Lissabon blieben Generationen in Erinnerung, Japan hat ähnliche Erfahrungen und reiht die “vier schrecklichsten Dinge” so: “Erdbeben, Gewitter, Brände, der Vater”.
Auch wenn es die Wälder Europas wenig bedrohte, wollte man es dort nicht sehen, die Wälder sollten Parks gleichen, in England, oder Holz liefern, in Deutschland. Beides kam zusammen, als die britischen Expeditionskorps deutsche Forstmänner mitführten, die die Waldbrände etwa in Indien erfolgreich ausrotteten.
Was in Indien gelang, schlug in den USA fehl, man sieht es es im alljährlichen Hollywood-Spektakel, in dem statt der Studios außer Rand und Band geratene Feuer Regie führen. Der Unterschied liegt darin, dass Indien nur erobert, Amerika aber entvölkert wurde. Auch die Indianer hatten sich das Land zurechtgebrannt – sie hatten Weiden für die Bisons freigelegt und waren just in dem Moment an die Westküste gelangt, als an der Ostküste die Mayflower anlegte. So blieb noch eine Frist für die anthropogene Savanne mit ihren verstreuten Baumgruppen, in denen das Gras abgebrannt wurde. Der Unterwuchs der Wäldchen brannte mit, bis zu den Kronen drang das Feuer nicht.
Dann kamen die Siedler und die Rinder, bald war zum Brennen nichts mehr da – und niemand mehr: Die Indianer wurden, so nicht ausgerottet, in Reservate verdrängt. In Reservate kam auch das Land, große Flächen, in denen sich mangels Feuer der Wald ausbreitete – und brannte. 1910 entschloss man sich zum Feldzug gegen jenen Feind, der den USA treu geblieben ist, während alle anderen Reiche des Bösen kamen und gingen: Es ging um die finale Vernichtung des Feuers, jeder noch so kleine Brand wurde erstickt. Der Zunder häufte sich, die Flammen loderten, in den Dreißigerjahren schwenkten erste Förster um – auf “Feuer-Management”, geplantes Feuerlegen -, inzwischen ist es offizielle Linie, aber diese Brände geraten oft außer Kontrolle, es ist schlicht zu viel Material in den Wäldern.
Auftritt, einmal nicht in der Schurkenrolle, George W. Bush: Er folgt den Empfehlungen des derzeit führenden US-Experten, der dazu rät, die Wälder vor dem Brennen mit mechanischen Mitteln auszudünnen (Science, 297, S. 2194). Bush brachte das Gesetz erst nicht durch, die Brände vom letzten Herbst haben das Parlament umgestimmt.
Aber so rasch werden die Wälder nicht ausgedünnt, wir werden noch oft zusehen können und müssen, wie die Flammen – ganz ohne Körper – hunderte Meter über die Wipfel hinweg und in die Bungalows springen. Lebt das, oder lebt es nicht? [*]
Viel Material entnehme ich der Dokumentation einer Tagung der Kunst- und Ausstellungshalle der Bundesrepublik Deutschland, die 2001 unter dem Titel “Feuer” im Wienand Verlag, Köln, erschienen ist.
Source:DiePresse.com Spectrum, 10. Januar 2004
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