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Wasser allein hilft nicht 

SueddeutscheZeitung, 15. Januar 2002


Nach Sydney: Nicht das Ausmaß der Brände hat zugenommen, sondern die Verletzlichkeit der Gesellschaft . Wer die Berichterstattung über die Buschfeuer rund um Sydney verfolgt hat, konnte etwas lernen: Hubschrauber namens Elvis schlucken 9000 Liter Wasser in 45 Sekunden und spucken sie in 15 Sekunden wieder aus. Eine technische Meisterleistung, die einigen Feuerwehrleuten das Leben rettete. Andere Details fehlten in den Berichten: Dem Wasser, das solche Flugmaschinen ablassen, werden gemeinhin Tenside – seifenähnliche Substanzen – zugemischt. „Sonst würde das Löschwasser von der Asche abperlen wie von einem gut gewachsten Auto“, sagt Ulrich Behrendt, Vizepräsident des Deutschen Feuerwehrverbands. „Wichtig ist aber, dass es in den Boden gelangt, um das brennende Wurzelwerk zu löschen.“ Dennoch gelang es auch den Helikoptern nicht, die Brände unter Kontrolle zu bringen – erst Regenfälle begrenzten das Inferno.  „Die Australier haben gar nicht alle technischen Möglichkeiten ausgeschöpft“, wundert sich Johann Goldammer vom Max-Planck-Institut für Chemie in Freiburg. Denn die bestaunten Hubschrauber sind bei weitem nicht die größten Löschgeräte. Fast die fünffache Wassermenge, 42000 Liter, fassen russische Löschflugzeuge vom Typ Iljuschin76. Das von Goldammer geleitete „Global Fire Monitoring Center“, das im Rahmen eines UN-Projekts Brände beobachtet, hatte mehrfach die Vermittlung dieser Maschinen angeboten. Doch die Australier verzichteten. „Für sie war es wohl eine Frage der Ehre, es möglichst allein zu schaffen“, vermutet Goldammer.  

 

Falsch erzogene Kinder 

Erfahrung mit Feuer haben Australier mehr als jeder andere – dank der Eukalyptusbäume und -sträucher, von denen mehr als fünfhundert Arten auf dem fünften Kontinent wachsen. Sie enthalten große Mengen ätherischer Öle, die man hier zu Lande vor allem aus Hustenbonbons kennt, und die leicht entzündlich sind. So gab es im Zeitraum 1998 bis 2000 eine Drittelmillion Feuer in Australien, auf mehr als 500000 Quadratkilometern jährlich.Zum Vergleich: Den Bränden in Mittelmeerländern fallen 6000Quadratkilometer pro Jahr zum Opfer. Doch der australische Busch ist nicht nur schnell entflammt, er regeneriert sich auch rasch. Für „Feuerökosysteme“ gehört gelegentliches Abfackeln dazu. Erst seit die Städte dem Buschwerk näher rücken, bedrohen die Flammen auch Leben und Besitz. „Nicht das Ausmaß der Brände hat zugenommen, sondern die Verletzlichkeit der Gesellschaft“, sagt Goldammer. „Gebaut wird oft da, wo die Gefahr am größten ist – auch Australier wohnen gern im Grünen.“ Wenn diese Besiedlung nicht gestoppt werden kann, gibt es aus Goldammers Sicht mehrere Ansätze, um Brände zu verhindern. Zum einen fordert er angesichts der jugendlichen Brandstifter eine bessere Umwelterziehung, damit Kinder ein Gespür für die Folgen ihre Tuns entwickeln. Zum anderen muss die Vegetation rund um die Städte intensiver ausgedünnt werden. Abseits der bewohnten Gebiete werfen Flugzeuge in Australien Brandkapseln ab. Diese planmäßige Brandstiftung vernichtet trockene Sträucher und die Streuschicht, so dass sich keine große Mengen brennbaren Materials ansammeln. „Wo das in Siedlungsnähe nicht praktikabel ist, muss das Material mechanisch entfernt werden, auch wenn das teuer ist“, sagt Goldammer. Eine dritte Strategie, die sich vor allem auf Regenwälder bezieht, ist reduzierter Holzeinschlag. Münchner Forscher haben Satellitendaten aus Indonesien ausgewertet. Dort gab es es während der Trockenzeiten 1997 und 1998 „die größte jemals beobachtetete Feuerkatastrophe“, schreiben die Autoren um Florian Siegert von der Universität München (Nature, Bd.414, S.437, 2001). Intakte Regenwälder brennen auch nach monatelanger Trockenheit kaum, sagt der Biologe. Die größten Schäden zeigen sich in Waldgebieten, in denen kurz zuvor Bäume geschlagen wurden. Falls die Wälder weiter durch die Holzwirtschaft übermäßig genutzt werden, dürften Feuer in künftigen Trockenperioden die Wälder Borneos bald restlos zerstören. 
Auf die Löschtechnik darf sich dann kein Land verlassen. Experten wie Goldammer warnen: „Das ist praktisch ausgereizt.“ Dennoch werden neue Methoden erforscht. Ulrich Behrendt vom Deutschen Feuerwehrverband nennt als Beispiel das so genannte Frankfurter Verfahren. „Es wird ein mit Wasser gefüllter Schlauch von etwa 20 Zentimeter Durchmesser ausgelegt, in den eine Sprengschnur eingearbeitet ist“, erläutert er. „Beim Zünden zerstäubt das Wasser zu kaltem Dampf. Der kühlt das brennende Material so stark, dass kaum noch brennbare Gase entstehen.“ Zusätzlich können sowohl Salze beigemischt werden, die eine schützende Kruste auf dem Holz bilden, als auch Geliermittel. Sie erzeugen eine glibberige Masse, die selbst auf senkrechten Flächen haftet. „Die Technik wurde speziell für Waldbrände entwickelt – allerdings nicht von australischen Dimensionen“, betont Behrendt. 
Denn Feuersbrünste wie die bei Sydney haben eigene Gesetze. Das mussten auch Wissenschaftler der australischen
Forschungsorganisation Csiro feststellen: Der seit den 60er-Jahren benutzte McArthur-Index hat diesmal versagt. Er berücksichtigt die Menge brennbaren Materials, Trockenheit und Windgeschwindigkeit und prognostiziert, wie rasch sich ein Feuer in Eukalyptuswäldern ausbreitet. Doch die Flammen waren oft dreimal so schnell wie berechnet. 

Der Feuervogel im All 

„Das Modell wurde anhand kleiner experimenteller Feuer entwickelt“, erläutert Jim Gould von Csiro. Feuerfronten von mehr als 100 Meter Länge jedoch erreichen praktisch sofort ihr maximales Tempo. Weht zudem der Wind mit mehr als 15 Stundenkilometern, beschleunigt sich die Ausbreitung sprunghaft. Ein Forschungsprojekt, das Gould leitet, soll nun verlässlichere Daten liefern. Auf einem Versuchsfeld von 200 mal 200 Metern setzt er Thermo-Messgeräte und Videokameras ein, um Temperatur und Ausbreitung der Flammen genauer zu erfassen. Die vorliegenden Ergebnisse zeigen: Es bleibt weit weniger Zeit als angenommen, vor einer Feuerfront zu fliehen. Wo diese Front verläuft, ist bei dichtem Rauch nicht immer leicht auszumachen. Daher sollen Helfer aus dem All für mehr Durchblick sorgen. Die Nasa hat nach den heftigen Waldbränden im Jahr 2000 das Rapid Response System entwickelt. Es stellt vom Satelliten Terra gelieferte Bilder im Internet zur Verfügung. Allerdings zeigen sie nur ein grobes Raster. Auch liefert Terra keine Daten darüber, welche Hitze ein Feuer entwickelt. 
Bessere Daten liefert der Kleinsatellit Bird, den das Deutsche Zentrums für Luft und Raumfahrt (DLR) im vergangenen Herbst in eine Umlaufbahn geschossen hat. Seine „Augen“ wurden eigens für die Beobachtung von Bränden und Vulkanausbrüchen konstruiert: Zwei Sensoren messen Infrarotstrahlung unterschiedlicher Wellenlängen. Durch die Verrechnung der beiden Informationen wird eine sehr hohe Auflösung erreicht. „Bisher konnte man sagen, auf diesem Quadratkilometer brennt es. Bird kann erkennen, dass da ein Feuer von etwa 50Metern Durchmesser ist“, sagt Klaus Briess vom DLR. Auch die Temperaturunterschiede lassen sich genau messen: auf zehn bis dreißig Grad bei Feuern, die bis zu 1000 Grad heiß brennen. Mit detaillierten Aufnahmen der Brände um Sydney stellte Bird Anfang Januar seinen Scharfblick unter Beweis. Doch praktische Unterstützung für die Feuerwehrleute lieferte er nicht. Denn der „Vogel“ ist nur ein Prototyp. Für eine regelmäßige Überwachung müsste ein ganzer Schwarm davon um die Erde kreisen. 


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