“Wir sind im Krieg mit der Natur”

“Wir sind im Krieg mit der Natur”

11. Februar 2009

veröffentlicht vonwww.sueddeutsche.de


Europas einziger Professor für Feuerökologie, Johann Georg Goldammer, über die Strategien zur Feuerbekämpfung.

Johann Georg Goldammer leitet in Freiburg das Global Fire Monitoring Center (GFMC), das eine Zweigstelle des Max-Planck-Instituts für Chemie in Mainz ist. Seit 1998 sammelt Europas einziger Professor für Feuerökologie im Auftrag der Vereinten Nationen weltweit Daten zu Waldbränden und entwickelt Strategien zur Feuerbekämpfung.

SZ: War die Katastrophe in Australien vorhersehbar, Herr Goldammer?

Goldammer: Die Waldbrände an sich sind nicht überraschend. Um die Jahreswende herum ist traditionell der Höhepunkt der Buschbrände in Australien. Die Warnungen waren klar in der vergangenen Woche, alle wussten, dass etwas passieren würde. Gleichwohl hat die extreme Trockenheit verbunden mit der Windlage begünstigt, dass sich die Feuer sehr leicht und stark ausbreiten konnten. Das sind aber nur die Umweltvoraussetzungen; dass Brandstifter zusätzlich am Werk waren, hat die Situation außer Kontrolle gebracht.  Letzteres war vorhersehbar, aber in keinem Fall vermeidbar.

SZ: Der Mensch als Störfaktor im Ökosystem, das eigentlich ganz gut mit dem Feuer zurechtkommt?

Goldammer: Ja. Die Erde ist ein Feuerplanet. Jedes Jahr verbrennen weltweit 300 bis 400 Millionen Hektar Land, auch der australische Busch ist ein Feuerökosystem. All diese Lebensräume sind auf das Gleichgewicht von Feuer und Natur angewiesen, dort finden diejenigen Tierarten Lebensräume, für deren  Dynamik und Erhaltung auf regelmäßige Feuer angewiesen sind. Eukalyptusbäume und einige Kiefernarten brauchen den Brand für ihr Wachstum. Problematisch ist, dass der Mensch dorthin zieht, wo seit Millionen von Jahren das Feuer wohnt. In Australien wollen viele im Grünen leben und ziehen in den hochentzündlichen Busch, in die Eukalyptuswälder, die aufgrund ihrer ätherischen Öle wie Zunder brennen. In Kalifornien ziehen viele Menschen aus den überlasteten Städten in die Kiefernwälder und das Buschland vor Los Angeles oder Berkeley. Wenn sie da ihre Holzhäuser hereinbauen, die dem gleichen Austrocknungsrhythmus unterliegen wie die Vegetation, wird es brenzlig.

 SZ: Könnten Bauvorschriften helfen?

Goldammer: Sicher. Prinzipiell ist bei Waldbränden nicht die Forschung das Problem, wir wissen genug. Wir sammeln im Auftrag der Vereinten Nationen mit Hilfe von Satelliten Information über das Auftreten und die Auswirkungen von Feuer, werten die Auswirkungen der Vegetationsbrände aus, feilen an Techniken zur Brandbekämpfung und an einem globalen Frühwarnsystem. Beim Wissens- und Technologietransfer in die Praxis stößt man allerdings an Grenzen. Kann man einem Land wie die USA, das durch Liberalismus geprägt ist, vorschreiben, wie Häuser sicher zu bauen sind? Auch sind die Strategien verschieden. Nordamerika setzt auf Evakuierung, notfalls zwangsweise. Australien dagegen befürwortet die Verteidigung des Eigentums. Bewohner können selbst entscheiden, ob sie bleiben. Das ist jetzt für einige zur tödlichen Falle geworden.

 SZ: Sind Evakuierungen besser?

Goldammer: Das kann man nicht generell sagen, eigentlich hat Australien die Praktiken des Feuermanagements weit entwickelt. Seit zwei, drei Jahren aber haben wir es in Australien mit unkontrollierbaren Mega-Feuern zu tun, die durch extreme Wetterlagen entstehen, die wiederum vom Klimawandel begünstigt sind. Zudem ist die Feuersituation hier besonders. Beobachten wir in Nordamerika oder Europa einen linearen Verlauf einer Feuerfront, an dem sich Feuerwehrleute orientieren und die Bekämpfung vorausschauend planen können, ist er in Australien erratisch: Es gibt außergewöhnlich viele Flugfeuer, die sich gegenseitig überholen und deren Verlauf unkalkulierbar ist. Es gibt ein Chaos von Brandherden, das von wechselnden Winden vorwärts getrieben wird. Die Menschen können leicht vom Feuer eingeschlossen werden. Wer vor dem Feuer flieht, kann leicht  eingeschlossen werden.

SZ: Wie sollen sich die Australier denn schützen, wenn die Verteidigung zu gefährlich ist, die Evakuierung aber auch

Goldammer: Eigentlich müsste um jedes Haus eine Pufferzone von 200 bis 300 Metern freigehalten werden, in denen jedes Grün verschwindet, dann ist der Funkenflug, der entscheidend ist für das Weitertragen des Feuers, leichter zu kontrollieren. Aber natürlich zieht keiner ins Grüne, um es abzuhacken. Wenn wir nicht weichen wollen, müssen wir uns arrangieren, sichere Häuser bauen und Schutzräume. Wir befinden uns in einer Art Krieg mit der Natur, und in Australien sollten Feuerbunker in Erwägung gezogen werden. Die bieten hundertprozentigen Schutz. So abwegig ist die Idee auch nicht. Im ständig vom Hochwasser bedrohten Bangladesch gibt es hochstelzige Bauten, die den Menschen bei Flutalarm idealen Schutz bieten.

Interview: Claudia Fromme


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