Cottbus

Brandstiftungbei Cottbus im Dienste der Wissenschaft

Experimentezur Entwicklung satellitengestützten Warnsystems

Lausitzer Rundschau, 31. Juli 2003


Zwei Drittel allerWaldbrände in Deutschland entstehen in der Lausitz. Für Wissenschaftler derArbeitsgruppe Feuerökologie des Max-Planck-Institutes für Chemie in Freiburgum Professor Johann G. Goldammer ein Grund, um hier in der Region für den Kampfgegen das Feuer zu experimentieren.


Professor Johann Goldammer leitet die Waldbrand-Experimente im Vorfeld desTagebaus Cottbus-Nord. Foto: Helbig

Egbert Brunn vomBundesforstamt Lausitz und Diplomforstwirt Alexander Held von der Uni Freiburghantieren mitten im Wald mit tragbaren Brennern. In Minutenschnelle ist derBodenbewuchs in Brand gesteckt. Altholz fängt Feuer, Qualm steigt auf.Feuerwehren sind vor Ort, doch sie greifen nicht ein. Bernd Brodowski, Chef derBerufsfeuerwehr Cottbus, verfolgt die Brandentwicklung aufmerksam. «Ich sehegrundsätzlich keinem Waldbrand gelassen zu. Ich glaube, wir haben alles imGriff» sagt er.

Messung in dreiEtagen
Hier, im Vorfeld des Tagebaus Cottbus-Nord, sind die «Brandstifter» Brunn undHeld im Dienste der Wissenschaft am Werk. Seit dem Jahr 2000 verfolgenWissenschaftler des Deutschen Forschungsnetzes Naturkatastrophen unter anderemdas Ziel, ein System zu entwickeln, mit dem man den Ablauf von Brändenvorhersagen und diese wirksam bekämpfen kann.

Der etwa zweieinhalbQuadratkilometer große Wald, der hier in Flammen aufgeht, hätte ohnehin demTagebau weichen müssen. Er leistet gewissermaßen einen letzten guten Dienst.

Der Zeitpunkt desBrandes ist exakt bestimmt. Um 13.02 steht der erste Abschnitt in Flammen. Überdem Brandherd ist das Brummen eines Flugzeuges zu hören. Es ist etwa 3000 Meterüber dem Erdboden. An Bord des Fliegers ist sensible Messtechnik. Noch ein beträchtlichesStück über ihm überquert in diesem Moment ein Satellit das Feuer. Dasversichert Professor Dieter Oertel vom Deutschen Luft- und Raumfahrtzentrum(DLR).

Bird (BispectralInfrared Detection) heißt er in der Fachsprache und wurde am 22. Oktober 2001mit einer indischen Rakete 572 Kilometer hoch in den Orbit geschossen. «Birdist für die wissenschaftliche Fernerkundung von Vegetationsbränden,Vulkanausbrüchen, Kohleflözfeuern und anderen Hochtemperaturereignissengeeignet», nennt Dieter Oertel die hervorstechenden Charaktereigenschaftenseines Satelliten. Von dem Feuer in der Lausitz nehmen Infrarotsensoren Datenauf. Eine Weitwinkel-Stereo-Kamera, entwickelt für die Marsmission 1996,erfasst Bilder. «Wir vermessen das Feuer in drei Etagen, am Boden, aus der Luftund aus dem Weltraum», so DLR-Experte Oertel.

Mit denmeteorologischen Bedingungen nicht ganz zufrieden ist Professor Johann GeorgGoldammer. Der international bekannte Feuerökologe hätte es gern trockener undheißer gehabt. «Ein richtig großes Feuer war es nicht. Das Wetter hat mit unsgespielt. Wir konnten das Experiment aber nicht verschieben. Der Satellit kommtnur alle zwölf Tage über die Lausitz. Heute stand er genau senkrecht über demBrandherd», ist der Professor dennoch zufrieden.

Wie schon vor zweiJahren sammeln die Wissenschaftler mit Unterstützung von Vattenfall EuropeMining in einem Tagebau wichtige Daten, unter welchen Umständen, bei welchenBaumbeständen, welcher Bodenbeschaffenheit, welchen Windverhältnissen und mitwelchen Temperaturen sich ein Brand wie entwickelt. Daraus ein modernes,computergestütztes Vorhersagemodell vor allem für die Kiefernwälder inBrandenburg und Nordostsachsen zu entwickeln, ist eines der Ziele. Den Markt fürsatellitengestützte Frühwarnsysteme mit Hilfe von Bird sieht Johann Goldammerweniger in Deutschland, sondern mehr in dünn besiedelten, waldreichen Regionenin Afrika, Amerika, Südamerika, Russland und auch Teilen Südeuropas.Deutschland werde, im internationalen Vergleich gesehen, eher wenig von Waldbrändenheimgesucht. «Schon jenseits der Alpen sind die Wälder dagegen hochexplosiv»,sagt er und verweist auf den jüngsten, verheerenden Brand in Frankreich, wo8000 Hektar Wald in Flammen aufgingen, fünf Menschen starben und bisher über20 000 Touristen evakuiert werden mussten. «In solch einer extremen Lage ist eswichtig, dass man die Entwicklung des Feuers vorhersehen und damit die begrenztzur Verfügung stehenden Löschkräfte und Löschmittel zielgerichtet einsetzenkann», sagt der Wissenschaftler.

Heute weitereVersuche

Der CottbuserFeuerwehrchef kann sich durchaus vorstellen, dass man nicht nur in Sibirien oderAfrika von einem Satelliten-Früherkennungssystem profitiert. Die Lage in derLausitz sei der in Südfrankreich sehr ähnlich. Altlasten des Bergbaus wieabgesenktes Grundwasser und Kohlenstaub machen die Wälder brandgefährlich,argumentiert Brodowski. Er erinnert an große Brände in Bärenklau Mitte der90er- oder im Raum Weißwasser in den 80er-Jahren, wo auch Urlaubsgebiete undWohnsiedlungen bedroht waren. «Wenn es ein solches System einmal gibt, muss esfür alle nutzbar sein», fordert er. Im Moment vertraut der CottbuserFeuerwehrchef aber bei der Einschätzung des Brandes im Tagebau seiner Erfahrungund den Wissenschaftlern, die in der Lausitz heute noch einmal mit dem Feuerspielen.

Quelle: Lausitzer Rundschau

http://admin.lr-online.de/nachrichten/laurundschau/tagesthemen/1065,284098.html?fCMS=1d8ec6065e9c4d4b68e861eaaac2106c


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