Die Lage ist wirklich dramatisch

Die Lage ist wirklich dramatisch

30 April 2007

published by www.rundschau-online.de


Der Bollerwagen ist voll beladen. Und neben dem gekühlten Pittermännchenliegen Holzkohle, Würstchen und der Grill. Viele werden heute am 1. Mai so oderin ähnlicher Form losziehen. Ins Freie, in die Natur. Natürlich. Das Wetterdazu ist ideal. Doch dass heute wieder zahlreiche Grills angezündet werden,hinterlässt bei Experten angesichts der erhöhten Waldbrandgefahr ein ehermulmiges Gefühl.

Wie gefährlich ist die Lage?

Sie ist nach Expertenmeinung derzeit dramatisch. Für die Wälder imRheinland gilt wie für nahezu alle Forstbestände in Deutschland dieGefahrenstufe 4 („hohe Gefahr“). Für Teile der Wälder Niedersachsens,Brandenburgs und Sachsen-Anhalts wurde bereits die höchste Gefahrenstufe 5ausgerufen. Dort kommt neben der Dürre hinzu, dass der sandige Boden kaum inder Lage war, Wasser zu speichern. Entsprechend ausgetrocknet ist das Gehölzdort jetzt.

Johann G. Goldammer vom Global Fire Monitoring Center (GFMC) in Freiburg,einer der UN angeschlossenen Organisation, die weltweit die Entwicklung und Bekämpfungvon Waldbränden beobachtet, warnt ausdrücklich: „Im Rheinland verschärfensich die Bedingungen noch einmal.“ Dabei spielen die Tageshöchsttemperatureneine eher untergeordnete Rolle. Vielmehr lassen trockene Ostwinde und damiteinhergehend eine relative Luftfeuchtigkeit von lediglich 25 Prozent dieBrandgefahr weiter steigen.

Laut dem Deutschen Feuerwehrverband komme hinzu, dass die vom Sturm„Kyrill“ geknickten Bäume noch immer zu tausenden in den Wäldern lägen.Das mittlerweile getrocknete Holz biete beste Bedingungen dafür, dass sich einFeuer rasend schnell ausbreiten kann.

Ist die Feuerwehr darauf eingestellt?

Nur teilweise. Die deutschen Feuerwehren verfügen zumeist lediglich überGroßgerät für die Bekämpfung von Haus- und Industriebränden. Für dieBrandlöschung müssen die Fahrzeuge möglichst nahe an den Brandherdherankommen, um dann mit Schläuchen zu dem Feuer zu gelangen.

Allerdings sind die deutschen Wälder zum Großteil wesentlich bessererschlossen als die anderer europäischer Staaten. Aufgrund der intensivenForstwirtschaft gibt es vergleichsweise viele feste Wald- und Feldwege, die auchdie Einsatzfahrzeuge nutzen könnten.

Für die Bekämpfung abgelegener Brände, die mit dem herkömmlichen Gerätnicht oder nur sehr schwer zu erreichen sind, fehle den deutschen Feuerwehrenaber nach Ansicht vom Global Fire Monitoring Center die notwendige Ausrüstung.So gebe es keine transportierbaren Handgeräte wie die so genanntenRucksackspritzen, mit denen der einzelne Feuerwehrmann im Gelände gezieltBrandnester bekämpfen könne.

Ferner verfüge die Feuerwehr nicht über eine leichtere Schutzkleidung. So müsseder Feuerwehrbedienstete auch an heißen Sommertagen den Waldbrand in derStandard-Kleidung bekämpfen. Das erschwere die Arbeit zusätzlich oder machesie gar unmöglich. Zudem werde das Thema Waldbrandbekämpfung in der Ausbildungeher stiefmütterlich behandelt. So fehlten beispielsweise Hinweise darauf, wieFeuer mit Feuer zu bekämpfen ist. Allerdings seien die Effizienz und dieSchnelligkeit deutscher Feuerwehren vorbildlich.

Die Ausrüstung zur Waldbrandbekämpfung sei internationaler Standard, meintGoldammer. Und angesichts der Erfahrungen der vergangenen Jahre und deraktuellen Entwicklung sollte bei den Feuerwehren mehr in dieKatastrophenvorsorge investiert werden.

Von Seiten des NRW-Landesfeuerwehrverbandes heißt es dazu, die Kritik sei imKern nicht unberechtigt. Allerdings sei Deutschland kein typisches Waldbrandlandund die Aufrüstung der Feuerwehren mit einer speziellen Ausrüstung zur Bekämpfungvon Waldbränden somit möglicherweise unverhältnismäßig. Zudem habe manbisher alle Brände nach kurzer Zeit löschen können.

Wie viel Wald gibt es in NRW?

Wer in der Großstadt lebt und in der Zeitung immer wieder von hohem Flächenverbrauchfür Siedlungen liest, der kann es sich kaum vorstellen: Nordrhein-Westfalen istein waldreiches Land. Rund ein Viertel des Landes ist Waldfläche. In einigenRegionen liegt der Anteil sogar bei über einem Drittel (siehe Tabelle). Undjedes Jahr gibt es einen deutlichen Zuwachs an Holz um rund acht MillionenKubikmeter. Davon wird bislang nur gut die Hälfte genutzt, ob als Baumaterialoder Brennstoff.

Zwei Drittel des Waldes im Land sind in Privatbesitz. Der Baumbestand istbislang geprägt von zwei Arten: Buche und vor allem Fichte haben einen Anteilvon insgesamt zwei Dritteln. Eiche und Kiefer stellen jeweils mehr als zehnProzent, der kleine Rest verteilt sich auf diverse andere Baumarten.

Wie entstehen die Feuer?

Feuerwehrverbände und auch das Global Fire Monitoring Center sind sich indieser Frage einig: Nahezu alle Waldbrände werden von Menschen verursacht. Dassein Feuer durch den Lupen-Effekt einer Glasscherbe oder einer Flasche entsteht,bei dem gebündelte Sonnenstrahlen vertrocknetes Gras oder Buschwerk entzünden,sei zumindest in Deutschland eher unwahrscheinlich, meint der Präsident derNRW-Landesfeuerwehrverbandes, Walter Jonas. Viele Brände entstünden vielmehrdurch fahrlässiges Verhalten – beispielsweise durch die viel zitierte achtlosweggeworfene Kippe.

Nicht wenige Feuer würden aber auch vorsätzlich gelegt. Brandstiftung seiauch beim Waldbrand am Wochenende im Siebengebirge nicht auszuschließen. Dortstanden zwei Hektar Fichten in Flammen. 150 Feuerwehrleuten brachten das Feuererst nach mehreren Stunden unter Kontrolle. Der Brand war um 1.30 Uhr nachtsentdeckt worden. Dass sich das Feuer im Laufe des späten Abends einfach so entzündethat, hält Jonas für wenig glaubwürdig.

Laut Johann G. Goldammer von der GFMC zeigten Waldbrände überdies dieKatastrophenanfälligkeit vieler Länder. Abgesehen von kriminellen Hintergründenbeim Thema Brandstiftung registriere man weltweit zunehmend, dass auch Attentäterdas Feuer als „Waffe des Terrors“ entdeckten.

Wie werden Brände entdeckt? Seit dem vergangenen Wochenendestarten Kleinflugzeuge im Auftrag der Kölner Bezirksregierung, um aus der Luftmögliche Waldbrände schon frühzeitig zu erkennen. Zwei Mal pro Tag werdensolche Flüge zunächst absolviert, um die kritischen Stellen der Waldflächenzu beobachten. Die Flüge sind solange geplant, solange die Waldbrandgefahr sohoch ist wie derzeit.

Wie sollte man sich verhalten?

Die meisten Regeln für das richtige Verhalten im Wald klingen selbstverständlich.Dennoch weisen die Feuerwehren immer wieder darauf hin, um das Bewusstsein dafürzu schärfen, dass kleine Ursachen große Wirkungen haben können. Generell giltim Wald vom 1. März bis zum 31. Oktober ein absolutes Rauchverbot. Weiterewichtige Regeln:

Offenes Feuer ist verboten. Das schließt auch den Grill ein. Den darf mannur auf Grillplätzen nutzen.

Bei Ausflügen in den Wald dürfen nur ausgewiesene Parkplätze benutztwerden. Keinesfalls sollte man sein Auto auf trockenen Grasflächen abstellen.Der heiße Katalysator könnten sie entzünden.

Natürlich darf im Wald kein Müll weggeworfen werden. Eine Gefahr,wenngleich in hiesigen Breiten keine sehr hohe, geht von Flaschen aus. Sie könntenwie Brenngläser wirken.

Die Zufahrten zu Wäldern müssen freigehalten werden, weil sonst Rettungs-und Löscharbeiten behindert werden können.

Besucher sollen aufmerksam sein und auch kleine Rauchentwicklungen derFeuerwehr und 112 melden.

Bei kleinen Bränden, die man selbst löschen konnte, sollte die Feuerwehrzur Nachkontrolle gerufen werden, damit nicht ein versteckter Schwelbrandunentdeckt bleibt.


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