Gierige Flammen

Gierige Flammen

12 August 2006

published by www.welt.de


Für die Brände in Südeuropaist auch der Mensch verantwortlich. Er verändert die Landschaft und bringt sodie Ökosysteme durcheinander.

Von Holger Kroker

Verzweifelter Kampf gegen die Flammen: Ein Feuermann versucht in Südspanien, einen Brand einzudämmen
Verzweifelter Kampf gegen die Flammen: Ein Feuermann versucht in Südspanien, einen Brand einzudämmen
Foto: dpa

Es ist Waldbrandsaison im Mittelmeerraum. Im Nordwesten der Iberischen Halbinsel wüten verheerende Feuer, die fast schon die Stadtgrenzen von Santiago de Compostela, Vigo oder Pontevedra erreicht haben. In der vergangenen Woche seien, so schätzt die Regionalregierung von Galicien, über 10 000 Hektar Wald vernichtet worden. Die spanische Regierung spricht von “Feuerterroristen”, die den schlimmsten Brand in der Geschichte der nordwestspanischen Region verursacht hätten.

In Kalifornien vernichtete der bislang schwerste Waldbrand des Jahres 25 000 Hektar Wald und Busch im San Bernardino Valley. Die Feuerwalze überrollte die Ortschaft Pioneertown und zerstörte dort 230 Gebäude, davon 60 Wohnhäuser. Obwohl dieses Feuer bereits vor drei Wochen unter Kontrolle gebracht wurde, brennt es in den angrenzenden Naturschutzgebieten weiterhin. Trockenheit und eine Borkenkäferplage haben viele Bäume absterben lassen und bieten so dem Feuer ideale Bedingungen.

“Dennoch haben wir ein durchschnittliches Waldbrandjahr auf der nördlichenHemisphäre”, erklärt der deutsche “Feuerpapst” Johann GeorgGoldammer, Chef der Freiburger Forschungsgruppe Feuerökologie amMax-Planck-Institut für Chemie. Aus Australien sind in diesem Jahr auch keineausgedehnten Waldbrände gemeldet worden, die sich wie 2003 bis ins Herz der Großstädtefressen können. Und die dramatischen Bilder von den Brandfronten in Spanien undPortugal fallen ebenfalls nicht aus dem Rahmen.

“Egal wie Sie es drehen”, so Goldammer, “bei einerdurchschnittlichen sommerlichen Hitze- und Trockenzeit sind die Feuer nichtkontrollierbar.” Die heißen und trockenen Wochen der vergangenen zweiMonate haben da auch nichts verschlimmert, ganz im Gegenteil. Bei Dürre wachsenGras und Unterholz schlechter als unter normalen Umständen. “Und dannbrennt es weniger, weil das wichtigste Brennmaterial fehlt, mit dem man Feueraufbaut”, erklärt Goldammer.

Ohnehin gehört Feuer in vielen Ökosystemen einfach zur Normalität. Fürmanche ist es sogar unverzichtbar. Regelmäßige Brände halten das Unterholzkurz, und Bäume wie Eukalyptus, Banksien oder viele Kiefernarten brauchengeradezu den Brand, damit sie sich fortpflanzen können. Im Mittelmeerraum, denUSA oder Australien sind Waldbrände so alltäglich, dass auf Tafeln deraktuelle Gefährdungsgrad angezeigt wird.

Doch es ist gerade der Mensch, der das eingespielte System außer Kontrollegeraten lässt. So träumt jeder Australier von einem Holzhaus im Busch mitwundervollen Eukalyptusbäumen im Garten, die Schatten spenden. Entsprechendfressen sich die Vororte der großen Städte immer weiter ins Outback hinein.Umgekehrt gibt es für Feuer nichts Günstigeres als Eukalyptusbäume: Ihre Blättergehen aufgrund des hohen Gehalts an ätherischen Ölen beim geringsten Funken inFlammen auf – auch ein Holzhaus brennt wie Zunder. Ähnliches passiert in denUSA.

Auch in Europa trägt der Mensch eine Mitschuld, und damit, so Goldammer,”sind nicht die Brandstifter gemeint”. In Spanien und Portugal kannman jetzt schon besichtigen, was – wenn auch in geringerem Ausmaß – zukünftigauch Deutschland droht (siehe Interview rechts). “Zwei Trends haben dazugeführt, dass Portugal so hoch entzündlich ist wie noch nie zuvor in seinerGeschichte”, erklärt der Feuerökologe.

Der wichtigere Trend ist die Landflucht, aber auch die immer stärkereZersplitterung des Grundbesitzes. Dadurch wird der Wald nicht mehr gepflegt,Unterholz und Buschwerk werden nicht mehr ausgelichtet und abtransportiert.Mittlerweile hat sich eine ungeheure Menge trockenen Brennmaterials angesammelt.Zwar hat man inzwischen erkannt, dass Biomasse ein durchaus wertvoller und darüberhinaus CO2-neutraler Energieträger ist. Die südspanische Region Andalusienplant etwa, bis 2010 Biomassekraftwerke mit einer Leistung von 250 Megawatterrichten zu lassen. Doch noch verbleibt das Brennmaterial in den Wäldern, weilman keine Arbeitskräfte und Maschinen hat, um es herauszuschaffen.

Der zweite Trend ist eine iberische Spezialität, ergänzt aber dieVerwilderung der Wälder geradezu ideal. So brannten in Galicien neben deneinheimischen Pinien vor allem Eukalyptusbäume, die hier eigentlich nichts zusuchen haben. In den vergangenen Jahrzehnten haben Forstunternehmen auf denzersplitterten Waldparzellen riesige Plantagen errichtet und vor allemEukalyptus und Kiefern angepflanzt. Holz ist ein wertvoller Rohstoff und dieinternationale Zellstoffindustrie ein dankbarer Abnehmer.

“400 000 Hektar Eukalyptusplantagen plus natürliche Kiefernwälderund Kiefernplantagen stellen heute mehr als 54 Prozent der portugiesischenWaldfläche – eine hoch explosive Situation”, kritisiert Goldammer. BeideBaumarten brennen nämlich wie Zunder, auch wenn der einzelne Baum durch dickeBorke vor den Brandfolgen recht gut geschützt ist. “Wir müssen diesesProblem in den kommenden Jahren verstärkt angehen, um größereBrandkatastrophen zu verhindern”, warnt auch der Waldökologe FranciscoValle Tendero von der spanischen Universität Granada.

Der Spanier fordert, den gegenwärtigen Bestand stärker auszudünnen undmehr einheimische Baumarten zu pflanzen, um das Ausbreiten der Brände zuverlangsamen. Goldammers Arbeitsgruppe hat auf brasilianischenEukalyptus-Plantagen gezeigt, dass selbst dichte Pflanzungen weiterhin möglichsind, wenn man nur das Unterholz und die unteren Äste der Bäume kontrolliert.Doch das ist mit Investitionen verbunden, “und das ist nicht unbedingt das,was die Geldgeber vor Augen haben”.

Dennoch hat der Feuerökologe Hoffnung auf Besserung. Denn in dem Maße, indem Biomasse zu einem wertvollen Energieträger wird, wird die Frage aufkommen,ob man sie einfach durch Waldbrand vernichten lassen soll. “Und da treffensich Interessen, indem man sagt, wir müssen die Wälder sauberer halten, indemwir die Biomasse systematisch nutzen.”


 

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