NATUR & KOSMOS Interview mit Johann G. Goldammer zur gegewärtigen Waldbrandsituation

natur&kosmos Interview
mit Johann G. Goldammer zur gegewärtigen Waldbrandsituation

(29 August 2000)

Eine gekürzte Version des Interviews finden sie bei natur&kosmos, No. 10, Seite 48-49.


natur&kosmos: Sie arbeiten zum Zeitpunkt dieses Interviews in Sibirien. Brennt es dort auch?

Goldammer: Die letzten Tage des Monats August waren in vielen Teilen Russlands ungewoehnlich kalt und niederschlagsreich, so dass die Feueraktivitaeten gering sind. In diesem Jahr hat die russische Forstverwaltung Feuer auf insgesamt 1,1 mio ha verzeichnet. Hinzu kommen wahrscheinlich nochmals etwa eine Million ha in den nicht ueberwachten Gebieten des hohen Nordens, in denen keine Feuerbekaempfung durchgefuehrt wird (in der Tundra bzw. Der Uebergangszone zwischen Taiga- und Tundra-Oekosystemen). Wir erwarten eine nochmalige Belebung der Feuersaison im Lauf des Septembers.

natur&kosmos: Ist die Waldbrandsaison dieses Jahr besonders schlimm?

Goldammer: Das ist regional sehr unterschiedlich. In den USA hat die stabile Hochdruckwetterlage im Westen des Landes zu lang anhaltender Trockenheit, erhoehter Gewitteraktivitaet und teilweise starken Winden gefuehrt und damit auch zu einer besonders ausgepraegten Feuersaison. Gleiches gilt fuer kuerzere Perioden auch fuer Teile Suedosteuropas und des Mittelmeerraumes, besonders in Griechenland und der Tuerkei. Beide Regionen sind nicht vergleichbar, da in den USA die Feuer im Wesentlichen durch Blitzschlag entstehen, in Suedeuropa aber durch Nachlaessigkeit und vor allem durch Brandstiftung. In den Tropenwaeldern Asiens, Afrikas und Lateinamerikas sind weniger Landnutzungsfeuer und davon ausgehende unkontrollierte Braende zu verzeichnen, da die Regenzeiten im Vergleich zu den El Nino-Jahren 1997-98 recht gut ausgepraegt waren.

natur&kosmos: Welche Langzeitwirkungen sind durch hohe Zahl an Waldbraenden zu erwarten? Erhoeht sich durch den großflächigen Waldverlust nicht auch die Erosionsgefahr und welche Konsequenzen drohen fuer den der Wasserhaushalt; gerade in trockenen Gebieten wie Suedeuropa?

Goldammer: In Suedeuropa sind derartige Konsequenzen deswegen zu erwarten, da die dortigen Landschaften in historischen Zeitraeumen uebernutzt wurden und teilweise ein Uebermass an Feuer ertragen mussten. Im Gegensatz zu den weniger “gestressten” Waeldern Nordamerikas, die nicht dem gleichen Landnutzungsdruck ausgesetzt sind und die sich nach Feuer wieder erholen, ist in Suedeuropa ein Prozess der Desertifizierung zu beobachten, zu dem Feuer beitraegt.

natur&kosmos: Wirken sich die vielen Waldbrände nicht sehr nachteilig auf das Klima aus?

Goldammer: Die Antwort auf diese Frage schliesst sich an das eben Gesagte an: Ein Oekosystem, das sich nach Feuer wieder erholt, bindet die gleiche Menge Kohlenstoff, die beim Feuer freigesetzt wurde. Andere Spurengase und Partikel, die den sogenannten Treibhauseffekt verstaerken oder vermindern, werden ebenfalls seit evolutionaeren Zeitraeumen freigesetzt. Oekosystme, die nachhaltig durch Feuer beschaedigt wurden, tragen allerdings zur Veraenderung der Eigenschaften der Atmosphaere und damit des Klimas bei. Die Verbrennung der Regenwaelder oder der Sumpf- und Moorgebiete weltweit, die bislang grosse Mengen an Kohlenstoffvorraeten speicherten, tragen in alarmierender Weise zur Klimaveraenderung bei. Die Groessenordnung liegt bei etwa 1-2 Milliarden Tonnen Kohlenstoff, die aus diesen Oekosystemen zusaetzlich freigesetzt werden. Bei der Verbrennung fossiler Energietraeger werden vergleichsweise ca. 6 Milliarden t Kohlenstoff freigesetzt.

natur&kosmos: Was waren die wichtigsten Ursachen für die Waldbrände in diesem Jahr?

Goldammer: Bliztschlagfeuer sind die wesentliche Ursache fuer die Problemfeuer in den USA und Kanada. In Sibirien wird die Bedeutung der Blitzschlagfeuer mehr und mehr durch die von Menschen nachlaessig verursachten Feuer “ueberholt”. Im Mittelmeerraum sind es maximal drei Prozent der Feuer, die durch Blitzschlag entstehen, in Deutschland ein Prozent. In den Waeldern der feuchten Tropen sind alle Waldbraende Kosequenzen vorsaetzlich gelegter Landnutzungsfeuer.

natur&kosmos: Hohe Lufttemperaturen gab es diesen Sommer auch in Deutschland. In vielen Wäldern kann aus Kostengründen das trockene Stangenunterholz nicht ausgedünnt werden. Sind in Deutschland Waldbrand-Katastrophen absehbar?

Goldammer: Die Situation in Deutschland ist eigentlich seit vielen Jahren unveraendert. Ich beobachte vielerorts einen Rueckgang der Waldpflege aus Kostengruenden. Theoretisch erhoeht sich dadurch die Gefaehrdung von Feuern hoeherer Intensitaet bzw. staerkerer Auswirkung. “Normale” Jahre haben aber in Deutschland in den letzten zwei Jahrzehnten die Szene bestimmt. Hohes Bewusstsein der Bevoelkerung, eine starke Bereitschaft der Forstverwaltungen und Feuerwehren hat in den letzten Jahren die Feueraktivitaet auf einige Hundert Hektar pro Jahr begrenzt. Die durchschnittliche Brandflaeche ist etwa einen halben Hektar gross – ein Zeichen fuer hohe Effizienz im praeventiven Bereich und in der Reaktionsfahigkeit. Die Zukunft kann nach meiner Einschaetzung einige Veraenderungen bringen: In Deutschland waechst eine Generation auf, die sich weniger fuer Umwelt und Natur interessiert, als je zuvor. Eingewanderte Bevoelkerung aus Laendern und Kulturkreisen, in denen das “Wald- und Naturbewusstsein” sehr schwach oder garnicht ausgepraegt ist, kann diese Entwicklung verstaerken. Die Schwaechung der Forstverwaltungen aufgrund von Personalabbau, die Verlagerung der Waldbewirtschaftung in den kommerziellen Bereich und damit der nachlaessigere Umgang mit der Waldpflege kann zu einer negativen Veraenderung fuehren, die nicht durch “High Tech” der Feuerwehren aufgefangen werden kann. In klimatisch kontinentalen Lagen Deutschlands, also in Brandenburg, kann regionale Klimaveraenderung als Folge des Treibhauseffktes zu einem Ansteigen der Haeufigkeit extremer Trockenjahre fuehren. Derartige Trockenjahre bergen die Gefahr von grossen Waldbraenden. Extreme Windereignisse, wie etwa der Orkan LOTHAR von 1999, fuegen das Brennmaterial zu – und alle diese kumulierten Entwicklungen koennen in Zukunft die Szene veraendern. Da gilt es im praeventiven Bereich und in der Vorsorge entgegenzusteuern.

natur&kosmos: In USA wird in vielen Wäldern versucht, die Anreicherung leichtentzündlichen Unterholzes durch kontrolliert gelegte Brände zu verhindern. Das hat offenbar nicht überall funktioniert. Warum?

Goldammer: Ueberall werden Fehler gemacht. Oder die Natur verhaelt sich doch einmal etwas anders, als “vorhergesagt”. Das ausser Kontrolle geratene “Kontrollierte Feuer”, das im Fruehsommer in Los Alamos (New Mexico) so viele Haeuser verbrannte, ist ein Beispiel dafuer. Sophistizierte Systeme der Vorhersage von Feuerverhalten werden ebenso benoetigt, wie Erfahrung und Training in der Anwendung des Kontrollierten Brenens.

natur&kosmos: Könnte das kontrollierte Abbrennen von Unterholz auch hier mehr Bedeutung bekommen?

Goldammer: Wir haben das in den 70er Jahren in Deutschland getestet und als machbar befunden. In einigen bestimmten Situationen ist eine Anwendung des Kontrollierten Brennens in der hiesigen Waldbewirtschaftung denkbar, beispielsweise in Reinbestaenden von Kiefern. Grenzen werden dann erreicht, wenn die wuenschenswerte Anreicherung der Kraut- und Strauchschicht bzw. Mischbaumarten gefaehrdet sind. Zusaetzlich entstehen auch eine Reihe von Konflikten, beispielsweise in Sachen Rauchentwicklung und der damit befuerchteten zusaetzlichen Belastung der Luft durch Emissionen. In einem dicht besiedelten Land ist das nicht ganz unproblematisch.

natur&kosmos: Als 1989 Teile des Yellowstone Nationalparks brannten, hatte das auch viele positive Folge für Tiere und Pflanzen. Warum?

Goldammer: Ein sehr grosser Teil der Naturwaldgesellschaften Nordamerikas ist an das Feuer angepasst oder benoetigt Feuer zur Regeneration. In diesem Prozess der Neubildung von Wald findet sogenannte Sukzession statt, bei der Arten auftauchen, die im alten und “dichten” Wald keinen Lebensraum hatten. Das ist ein natuerlicher Prozess der Vegetationsentwicklung, an den wiederum das Vorkommen von Tierarten gekoppelt ist.

natur&kosmos: Feuer-Oekolgen setzen in USA Braende auch gezielt ein, um in Naturgebieten die Pflanzen-Sukzession zu steuern. Ist Naturschutz mit dem Flammenwerfer auch in unseren Breiten denkbar?

Goldammer: Deutschland nimmt in Mitteleuropa eine fuehrende Stellung in der Erforschung der praktikablen Anwendung von kontrolliertem Feuer in Naturschutz und Landschaftpflege ein. Wir brennen seit vier Jahren in Baden-Wuerttemberg zur Erhaltung der offenen und wiesenartigen Strukturen im Weinbaugebiet Kaiserstuhl. Hier geht es eben darum, die Sukzession von Wiesenoekosystemen in Richtung Verbuschung oder Bewaldung zu verhindern. Das sind Standorte, die traditionell durch Mahd und bisweilen durch “Flaemmen” freigehalten wurden. Ab 2001 werden wir einige Gemeiden des Kaiserstuhls einen Grossversuch und anschliessend in eine 6-jaehrige Phase der routinemaessigen Anwendung von kontrolliertem Brennen durchfuehren. In Nordeuropa setzt sich kontrolliertes Brennen in der Waldwirtschaft als Konzept mehr und mehr durch; eine vermehrte Anwendung ist in den kommenden Jahren zu erwarten, zumal die Zertifizierung von Holzprodukten das Kontrollierte Brennen erfordert.

natur&kosmos: Die meisten Medien berichten von Waldbränden als “Katastrophen”. Wäre es für Sie und ihre Arbeit wünschenswert, wenn Feuer ein besseres Image bekäme?

Goldammer: Wir haben durch unsere Oeffentlichkeitsarbeit und Kontakte zu Laien in den vergangenen Jahren erfahren, dass das Verstaendnis bzw. Bewusstsein ueber die Natuerlichkeit von Feuer bereits sehr, sehr gross ist. Wer offensichtlich Nachhilfe braucht, ist der Durchschnittsjournalist oder Medienvertreter, der kurzfristig und unreflektiert auf das Thema Feuer springt und es zum Ausfuellen von Sommerloechern benutzt. Die Journalisten haben uns in den vergangenen Monaten die meisten Kopfschmerzen bereitet, da sie ihre Hausaufgaben nicht gemacht haben, naemlich sich kundig zu machen ueber etwas, ueber das bereits sehr viel berichtet wurde.

 

Johann Georg Goldammer ist Leiter der Arbeitgruppe Feueroekologie und Biomasseverbrennung des Max-Planck-Instituts fuer Chemie, Mainz. Die Arbeitsgruppe ist an der Universitaet Freiburg angesiedelt und uebt gleichzeitig die Funktion des Global Fire Monitoring Center (GFMC) aus, das vom Auswaertigen Amt als Beitrag fuer die Arbeit der Vereinten Nationen finanziert wird.


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